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CLXXXXVIII. Cypern.




Tempel sich reihten an Tempel am Ufer der brausenden Meerfluth,
     Wo sie, das feuchte Gestade milde zu schützen, gebaut,
Und der schäumenden Fluth Beherrscherin brachten Kränze
     Schiffer, gerettet, zum Dank; Liebende, froh vom Genuß. –
Ehret Kypriens Macht, sie rufet euch bald in der Liebe,
     Bald auf stürmischem Meer günstige Lüfte herbei.


Kypria’s Tempel sind zerbrochen, ihrer Priesterinnen Gesänge verstummt; Freude, Lust und Genuß feiern hier Opferfeste nicht mehr: aber die Reize der Natur, welche Cypern würdig machten zur Wohnung der Göttin der Liebe und der Schönheit, Fruchtbarkeit und Milde des Klima, wodurch sie berühmt war im Alterthum, sind die nämlichen noch. Eben so verschwenderisch, wie ehedem, gießt noch gegenwärtig die Natur ihr Segenshorn aus, und nur Hände glücklicher, lebensfroher Menschen fehlen, seine Gaben zu empfangen. Cypern, das zur Zeit des Perikles auf 350 Quadratmeilen 2 Millionen Einwohner zählte, hat deren jetzt kaum siebenzig Tausend, und mitten im Schooße des Ueberflusses darbt der größere Theil derselben arm und elend. Der Fluch des Despotismus verkehrt hier, wie er es überall thut, Gottes Segen in Mangel.

Die Geschichte der Insel verliert sich in das Dunkel der Vorzeit. Die Mythe läßt an ihren Ufern Venus aus dem Schaume des Meeres emporsteigen, und der Tempeldienst der Göttin verbreitete sich von Cypern aus über Kleinasien, Griechenland und das westliche Europa. Schon 1500 Jahre vor Christus blüheten hier kleine Königreiche, aus jonischen und hellenischen Colonien entstanden. Amasis, der Beherrscher Aegyptens, unterwarf sich 550 v. Chr. die Insel, und sie blieb unter ägyptischer Botmäßigkeit, bis sie, zu Cäsars Zeit, die Römer an sich rissen. Nach der Theilung des Reichs gehörte sie zur östlichen Hälfte. Constantinopel regierte sie durch Prinzen des Kaiserhauses. Einer derselben machte sich unabhängig und bestieg als Kommenus der Erste den neugeschaffenen Königsthron. Dessen Nachkommen hielten sich in der Herrschaft bis zu der Zeit der Kreuzzüge, als Richard Löwenherz Insel

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/57&oldid=- (Version vom 24.8.2024)