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Niemand bewohnte es, außer ein armer Töpfer, Namens Reinhard. Nicht weit von dessen Hütte war eine Quelle, und mit Verwunderung hatte Reinhard schon mehrmals in den warmen Sommernächten Lichter neben und auf dem Wasser hüpfen sehen, und vergeblich nach ihrer Ursache geforscht. Kam er hin, waren sie allemal spurlos verschwunden. Da erzählte Reinhard die Wunder-Erscheinung vielen Leuten, und viele kamen und sahen sie, und konnten sie nicht erklären. – Auch Ludwig bekam davon Kunde, ging hin, sah die tanzenden Flämmchen, forschte und forschte vergebens, wie die Andern. Da kam ihn der Gedanke bei, das müsse wohl eine heilige Stätte seyn, und eine gottgefälligere für den Bau seines Klosters möchte er im Lande nicht finden. Sein Beichtvater bestärkte ihn in dieser Meinung. – Bald dröhnte nun die einsame Waldung von tausend Holzäxten wieder. Ein Heer von Bauleuten belebte das stille Thal, und es stiegen die Mauern einer der prächtigsten und reichsten Benediktinerabteien des Thüringer Landes empor. Sie erhielt den Namen Reinhardsbrunn, um den Anlaß ihrer Gründung zu verewigen. Als das Kloster fertig war, begrub sich Ludwig selbst hinein als büßender Mönch, nachdem er zuvor sein Stammschloß, die Schauenburg, mit meilenweiten Waldungen und reichen Gründen, der Abtei geschenkt hatte. Zugleich stiftete er ein Erbbegräbniß seines Hauses unter der Klosterkirche, und eine ewige Lampe für jeden in demselben beigesetzten Sarg.

Und im Laufe der nächsten Jahrhunderte erklangen vielmal die Trauerglocken im Kloster Reinhardsbrunn, wenn sie den Leib eines Herrn des Thüringer Landes brachten von der hohen, 4 Stunden fernen Wartburg, oder von entfernten Schlössern, wie Ludwig den Eisernen, den seine Edelleute auf ihren Schultern zehn Meilen weit von Halle hertragen mußten; oder aus fremden Landen, wie Ludwig den Heiligen, den der Herr gerufen auf dem Zuge nach Palästina! –

In des Mittelalters langer Nacht der Unwissenheit schimmerte des Klosters Stern hell und die Benediktiner von Reinhardsbrunn, – sorgsam gepflegt, geschützt und reich beschenkt von den thüringischen Fürsten, – lebten ihre goldene Zeit. Als aber des Begründers Stamm, das landgräfliche Haus, (im 15. Jahrhundert), mit Friedrich dem Einfältigen ausstarb und lachende Erben sich in das schöne Land theilten; als endlich die Morgenröthe der Reformation anbrach, da erbleichte das Sternlein gar schnell, und noch ehe der Tag kam, löschte es die Hand eines furchtbaren Geschicks. – Luther’s Zauberwort: Freiheit des Glaubens, hatte den Geist der Massen aus seinem Todten-Schlafe aufgerüttelt, überall in Deutschland sprengte er die Bande gewaltsam und die entzügelte, rathlose Kraft äußerte sich verheerend und zerstörend, wie die entfesselten, rohen Elemente der Natur. Der Sturm des deutschen Bauernkrieges überbraußte ganz Thüringen, und Kloster Reinhardsbrunn sah seinen letzten Tag. Am Montag, 8 Tage nach Ostern, des Jahres 1525, standen die Bürger und Bauern in Waltershausen und der Umgegend auf, und ihr erster Zug galt der Klosterherrschaft der feisten Benediktiner. Der letzte Abt floh, mit ihm sein Kellermeister. Abends rückten 800 Mann ein, soffen die ganze Nacht, raubten und plünderten und trieben Spott mit den Mönchen. Den andern Morgen kamen neue Haufen: die Klosterbrüder machten

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/49&oldid=- (Version vom 24.8.2024)