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enthauptet wurde. Als Brecher des Landfriedens waren Steine in des Faustrechts arger Zeit häufig berüchtigt und gefürchtet, und die Burg Altenstein Zeuge mancher Schauerthat, von Steinen begangen und durch ihre Helfer gethan. Schrecklicher jedoch als alles Verübte war die Vergeltung; eine That, die das Blut in den Adern gerinnen macht. Die Geschichte ist folgende.

In dem langen Kampfe der kirchlichen mit der Kaisermacht, war die Kraft der letztern gebrochen, die Achtung vor ihr untergegangen, und mit ihr die vor den Gesetzen des Reichs. Frech erhoben die Vasallen sich gegen die Lehnsherren, spotteten des Reichs und seines Haupts und machten ihr Schwert zum Gesetzbuch. Deutschlands Schreckenszeit war gekommen. Kein Recht galt mehr als das der Faust, und auf jeder Burg wehte das Panier der rohen Gewalt. Jeder dachte nur an Vergrößerung seiner Macht auf Kosten der Nachbarn. Ritter befehdeten sich, Städte kündigten ihren Lehnsherren den Gehorsam auf, Fürsten und Herzoge überzogen einander mit Krieg. Deutschland war zur großen Räuberhöhle geworden.

Für das rührige, kraftvolle und thatendurstige Geschlecht der Steine war das eine goldene Zeit. Generationen hindurch trieb es kein anderes Gewerbe, als Befehdung der benachbarten Ritter und die Wegelagerei im Großen. Die Altensteiner Schnapphähne waren zwanzig Meilen weit gefürchtet, und ihre Reisige wagten sich zuweilen bis an die Thore von Nürnberg und Erfurt, wenn es galt, reichen Kaufleuten aufzupassen und kostbare Gütertransporte zu plündern. Mit dem geraubten Gute erkauften sie Schlösser im Auslande, befestigten und erweiterten sie ihre Stammburg; diefe stand im Rufe der Unüberwindlichkeit.

Zwölf Ritter von Stein haußten im Jahre 1250 auf dem Altenstein, alle Söhne eines Vaters, alle von gleicher Raubsucht, Riesen von Körper, tapfer und ohne Erbarmen. Jeder dieser schrecklichen Zwölfe hatte seine Knechtschaar, und, wie Wolfe aus ihren Höhlen, so zogen täglich sechse auf Raub aus, während die übrigen die Burg hüteten. Klüglich vermieden sie es Anfangs, ihrem nächsten Lehnsherrn, dem mächtigen und kriegerischen Fürstbischof Eiring von Würzburg, Ursache zur Beschwerde zu geben; wie aber der Erfolg des Bösen immer zur Verwegenheit spornt, so geschah es auch hier. Zuletzt machten sie zwischen den Unterthanen und Vasallen ihres Lehnsherrn und den Fremden keinen Unterschied mehr, überfielen Würzburgische Dörfer und Flecken und erhoben Brandschatzung von den benachbarten Städten.

Lange dauerte die Klage und entsetzlich wurde die Noth, ehe der Bischof den gefährlichen Zug gegen die Schreckens-Brüder wagte. Endlich erscholl ein allgemeines Aufgebot im Lande, und die Rachelust schaarte bald ein mächtiges Heer. 1254 brach der Bischof von Würzburg auf, und nachdem er die Altensteiner Haufen aus dem Felde geschlagen, berannte er ihre Burg. Lange lag er davor; vielmal versuchte er, sie zu erstürmen. An der Wachsamkeit und eisernen Tapferkeit der Brüder scheiterte jeder Anschlag.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/219&oldid=- (Version vom 9.9.2024)