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Gebirgen, sollen und die Trümmer ihre Geschichte erzählen. Wie sie trotzig und ernst auf ihrem starken Felsenhaupt sich recken! Wie die Gewölbe kühn über einander gesprengt sind in fünffachen Reihen, wie die Kunst noch blüht in den schlanken, zierlichen Fenstersimsen, wie die Thürme emporstarren aus den mächtigen Quadern, und die hohen Wälle den Leib des Trümmerriesen noch fest umgürten! Der erste Blick sagt schon, das sey kein gemeines Burgbild.


Unweit Schweinfurt, im ehemaligen fränkischen Gaue Grabfeld, sieht man auf dreien, im Triangel liegenden Bergen die Ruinen dreier Schlösser, ein Schmuck der ganzen Gegend. Der höchste der Berge trägt die Ueberbleibsel der schon im 12. Jahrhundert, auf Friedrich des Rothbarts Gebot, zerstörten Burg Bramberg; auf der andern Höhe ragen Raueneck’s Trümmer; und die von Altenstein, mächtiger als jene beide, starren vom dritten Berge. Es ist dies das Stammhaus der noch in mehren deutschen Ländern blühenden und begüterten Freiherren von Stein, – ein Name, welcher in der Geschichte des Vaterlandes häufig ehrenvoll, nicht immer fleckenlos, erwähnt wird.

Schon in den Kämpfen der Franken und Sachsen, zu Pipin’s und der Karolinger Beit, kannte man das Geschlecht. Es hauste damals in einer noch ältern Burg, welche, nur an wenigen Substruktionen noch kenntlich und ¾ Stunden von der Altensteiner Ruine entfernt, die Heidenburg heißt. Die Zerstörung derselben fällt in die Zeit jener Kriege; und für Altenstein mag sie die seiner Erbauung gewesen seyn.

Die Steine von Altenstein waren ein rühriges, rüstiges, thatenfrohes, aber auch unruhiges und fehdesüchtiges Geschlecht. Schon in den ältesten Turnierbüchern, aus dem 10. und 11. Jahrhundert, werden sie erwähnt. Steine thaten sich in den Kreuzzügen hervor, kämpften als Johanniter- und Tempelritter, und ein Stein verpflanzte die westphälischen Vehmgerichte nach Franken. Noch zeigt man die unterirdischen Hallen, in welchen die furchtbaren Richter ihre Sitzungen hielten, heimlich Urtheil sprachen über ihre Geladenen, und Kerker sieht man, in deren Wänden die Vertiefungen, in welchen die Ketten befestigt waren, zu erkennen sind. Einen Steinblock, der in einem Gewölbe liegt, hält die Sage für die heimliche Richtstätte. Aber auch als Wegelagerer und Anführer war der Name Stein frühzeitig gefürchtet. Ein Heinrich von Stein steht 992 an der Spitze der aufrührerischen Bauern, welche das Joch der Geistlichkeit, die damals allmächtig war und das Volk mit Erpressungen aller Art belastete, mit Gewalt abzuschütteln versuchten. Ein Stein figurirte in den bekannten Grumbachischen Händeln als Haupträdelsführer und Mitschuldiger beim Morde des Fürstbischofs von Würzburg, Melchior von Bibra, und endlich als Strafgenosse des Grumbach, mit dem er, nach Vollstreckung der Reichsacht, auf dem Marktplatze in Gotha

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/218&oldid=- (Version vom 9.9.2024)