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ihren Untergang voraus. Sie erschöpften ihren Einfluß bei den Massen, die humanen Zwecke der Regierung zu verdächtigen und zu verunglimpfen, und schürten das Feuer der Zwietracht aller Orten, das häufig in offene Empörung ausbrach. Aber diese Reaktionen haben das Werk der Civilisation in Indien nicht gehindert. Unter der Verwaltung Lord Bentinck’s wurde der indischen Presse faktische Freiheit gestattet. Sein Nachfolger machte diese Freiheit gesetzlich und legte dadurch im Namen des brittischen Gouvernements vor der Welt die Erklärung ab, daß sie das öffentliche Urtheil über ihre Bestrebungen nicht mehr zu fürchten brauche.

Es gibt für die Regierung eines eroberten Landes keine ehrendere Erklärung, als eine solche. Schlechtes Regiment und schlechte Justiz, das begreift Jeder, können mit der Oeffentlichkeit eben so wenig bestehen, als Finsterniß mit dem Lichte. Mit ihr ist’s um alle Gemächlichkeit, Unfähigkeit und Schlechtigkeit der Regierenden auf die Dauer unausweichlich geschehen; denn die Publizität stellt die Aufsehenden unter Aufsicht, sie gibt dem Richtenden einen Richter, und kein Heiliger, der sich in der dunkeln Nische des Kabinets, oder der Kirche, verehren läßt, wird am hellen Tage der Publizität ein Heiliger bleiben, wenn er ein verächtlicher Sünder war.

Wodurch gelangte Europa aus dem Zustande verhältnißmäßiger Rohheit zu seiner jetzigen Bildung? Durch die Presse allein. Genußreicher Gedanke, daß dieser Hebel, mächtig selbst in Fesseln, frei aber mit Allmacht begabt, nun auch in Indien angesetzt ist, um Despotie und Aberglauben von ihren urältesten Thronen zu stürzen!

Die Zeit kann nicht fern seyn, wo der Reisende die Quellen des Jumna und Ganges besuchen, und den ewigen Gott in jenen grandiosen Naturscenen bewundern wird, ohne von heuchlerischen Brahminen angebettelt und von dem Anblick der Pilgerschaaren niedergebeugt zu werden, welche vom Aberglauben und Betrug aus den fernsten Gegenden Indiens mit Gefahr des Lebens hergetrieben werden, damit sie der Priester-Habsucht den Tribut entrichten. Schon werden ja die Züge der Betrogenen kleiner mit jedem Jahre, und der heiligen Faullenzer, die sie ernähren, immer weniger.

Die Quelle des Ganges, 13,000 Fuß über der Meeresfläche, wie sie von den Brahminen angenommen wird, rauscht, als ein mächtiger Bergstrom unter einem Gletscher hervor, der in ein tiefes Felsenbecken des Himalayah aus den Regionen des ewigen Schnees sich herabzieht. Rundum ist die Gegend eine menschenleere Wüste. Lebensgefährliche Stege über Abgründe, oder steile Bergwände hinan, hat der wißbegierige Reisende und der Andächtige zu wandern, welcher letztere mit jedem Schritte, den er am heiligen Strome thut, einen Anspruch mehr auf die ewigen Freuden des Himmels zu erlangen wähnt. Bei der vermeintlichen Quelle (denn die eigentliche ist über dem Gletscher in noch höhern Regionen!) steht eine kleine Pagode, in welcher die Priester den Pilgern ihren Segen verkaufen. Sie selbst wohnen in Felsenhöhlen, deren das zerklüftete Gestein eine Menge hat, und die Pilgerschaaren haben auch kein anderes Obdach. Viele, die nicht selbst wallfahrten mögen, schicken Diener, um das heilige Wasser in Gefäßen zu holen, welche die Brahminen, gegen Bezahlung, mit ihrem Siegel beglaubigen. – Ehedem

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/199&oldid=- (Version vom 2.11.2024)