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mich in ihren magischen Kreis und gingen die Geister und Thaten Aller, die ihre Ruhestätte hier gefunden, vorüber an meiner Seele! Ach! wie erschienen doch damals dem schwermüthigen Knaben das Leben und die Zukunft so überschwänglich reich; denn er betrachtete beide im Spiegel der Vergangenheit und im bunten Farbenscheine der Poesie und Legende. Das waren freilich Vorstellungen, die keine spätere Wirklichkeit ausfüllen konnte, und neben welchen das reichste Leben wie ein Bettler einhergeht. –

Die „drei Gleichen,“ wie der Thüringer die Schlösser Gleichen, Mühlberg und Wachsenburg gewöhnlich nennt, liegen in der Mitte eines von den Städten Gotha, Arnstadt und Erfurt eingeschlossenen Dreiecks, zwei bis drei Stunden von ihnen entfernt. Sie krönen Bergkegel, die aus einer fruchtbaren, fast ebenen Landschaft sich emporheben. Nur die beiden ersten fallen in den Rahmen unsers Bildchens; die Wachsenburg werden wir noch in einer besondern Darstellung zeigen.

Mühlberg ist die älteste der Ruinen. Das niedrige Gemäuer sieht, wegen eines runden, 70 Fuß hohen Thurmes von riesenhaftem Verhältnisse, von ferne aus, als trüge es eine Krone auf dem Haupte. Außer jenem Thurme ist nichts mehr erhalten; wer aber die Mühe und Gefahr nicht scheut, diesen zu erklettern, den erfreut eine wunderschöne Aussicht. Südwärts dehnt sich das Panorama des Thüringer Waldgebirges, auf dessen Kamm wohl hundert benamte Berge zu unterscheiden sind, vor dem Beschauenden in einem Halbkreise aus, dessen Spitzen bei zwanzig Stunden aus einander stehen. Im äußersten Westen thront die Wiege des Thüringer Volksthums, die ehrwürdige Wartburg; im Osten macht der Ettersberg bei Weimar die Grenze; im Norden dehnt die Aussicht bis zum Harze sich hin, und die Brockenspitze ist, trotz einer dreißigstündigen Entfernung, bei heiterm Himmel mit bewaffnetem Auge deutlich zu erkennen. Die malerischen Trümmer der Schwesterburg Gleichen winken so nahe herüber, daß man vermeinen möchte, sie mit einem Steinwurf zu erreichen. Die Städte Arnstadt und Erfurt prangen mit ihren Thürmen, Gotha mit seinem herrlichen Fürstenschlosse, daneben, auf kahlem Kalkfelsen, die Sternwarte Seeberg, und unzählige Dörfer und Flecken liegen gebettet in reichen Fluren, oder recken ihre schlanken Thurmspitzen über vorliegende Höhen, oder aus tiefer liegenden Gründen. – Im Vistenbuche Thüringens ist’s eines der herrlichsten Blätter! –

Auf den ältesten Schicksalen der Burg und der Zeit ihrer Erbauung ruht undurchdringliches Dunkel. Sie gab einem in Thüringens Frühgeschichte glänzenden Grafengeschlechte den Namen, welches aber schon im dreizehnten Jahrhunderte erlosch. Als auflässiges Lehn fiel Mühlberg an das landgräfliche Haus zurück, und als auch dieses ausstarb, wechselte die Burg häufig ihre Besitzer. Ihre Zerstörung soll im 16. Jahrhundert durch Feuer geschehen seyn; ein Blitz, so heißt’s, habe sie angezündet. Noch im vorigen Jahrhunderte waren die Ruinen viel bedeutender; ein zweiter viereckiger Thurm stand, höher als der runde, jetzt noch übrige. 1768 stürzte er während eines Sturmes ein, und die Bauern der Gegend holten die Quadern als Bausteine weg. Selbst zum Erfurter Festungsbau wurden während der Napoleon’schen Herrschaft viele 100 Fuhren Bausteine aus den Trümmern gebrochen,

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/191&oldid=- (Version vom 1.11.2024)