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und riefen die Schwesterstadt Mühlhausen zu Hülfe: aber da sie merkten, daß sich Friedrich durch ihre Demonstrationen nicht irre machen ließ, vielmehr größere Heermassen herbeizog, und die reichen Besitzungen der Erfurter in ganz Thüringen zu plündern drohte, – überließen sie die Leuchtenburg ihrem Schicksale. Sie wurde nach einer kurzen Belagerung erobert, und der Markgraf machte sie zu seinem Eigenthum.

So kam die Leuchtenburg an das sächsische Haus, und sie blieb bei demselben bis auf den heutigen Tag. Die Versuche der Grafen von Schwarzburg, in Wiederbesitz der Burg zu gelangen, hatten, oft wiederholt, doch niemals Erfolg.

Als im 15. Jahrhundert die Brüder Friedrich und Wilhelm von Sachsen, der Erbtheilung ihrer Länder wegen, in Krieg mit einander geriethen, versetzte Wilhelm die Burg an einen reichen und mächtigen Vasallen, Apel von Vitzthum, der sie erweiterte und befestigte. Nach dem Frieden verlangte Wilhelm die Zurückgabe; umsonst! Apel bot seinem Herrn mit den Waffen Trotz, warb ein kleines Heer, und trieb Raub und Wegelagerei im Großen. Der Kurfürst hatte eine Gesandtschaft an Karl den Kühnen geschickt, welcher mit großem Gefolge burgundischer Herren zurückkehrte, um für ihren Herzog am sächsischen Hofe eine Braut zu werben. Apel, davon benachrichtigt, vermeinte, einen guten Fang zu machen, und legte sich unweit Erfurt auf die Lauer. Als nun der Zug des Wegs kam, brachen die Räuber hervor, plünderten die Karavane rein aus und schleppten die vornehmsten Ritter und Herren gefangen auf die Leuchtenburg, um ein hohes Lösegeld zu erpressen. Doch so ruchlose und verwegene That trug verdiente Frucht. Apel wurde in die Acht und aller seiner Güter verlustig erklärt, und Herzog Wilhelm von Sachsen zog aus mit einem Heere, die Acht zu vollstrecken. Eine Burg nach der andern fiel, trotz der hartnäckigsten Vertheidigung. Nur die Leuchtenburg widerstand lange. Endlich übergab sie die Besatzung gegen Gewährung des Lebens, und die Fürsten von Sachsen ließen die Veste fortan durch Vögte verwalten. In spätern Jahrhunderten hat sie zur Aufbewahrung von Staatsgefangenen gedient, und einige Zimmer sind noch jetzt diesem Zwecke ausschließlich bestimmt.

Gegen das Jahr 1720 (nach dem Aussterben der Altenburg-Sächsischen Linie) fielen deren Länder an Gotha, und der uralte Rittersitz wurde in eine Zucht-, Arbeits- und Irrenanstalt des Landes verwandelt. 1744 bekam dieselbe eine vortreffliche Neu-Organisation; es wurden mehre neue Gebäude aufgeführt, unter andern die Kirche.

Die Leuchtenburg hat jetzt nur ein einziges Thor, und schon beim Anblick desselben wird man ihres unheimlichen Inhalts inne. Es ist verwahrt wie der Zugang einer Citadelle. Dem Eintretenden empfängt ein weiter Burghof. Rechts ist das Zuchthaus für männliche Sträflinge, und das Hospital für die Irren; die Gebäude links schließen die weiblichen Verbrecher und Geisteskranken ein. Im Vordergrunde aber erhebt sich das Herrenhaus, wo der Commandant, der Prediger und die übrigen Offizianten wohnen. Dieß ist der älteste, unversehrt erhaltene Burgtheil.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/178&oldid=- (Version vom 5.9.2024)