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der leichtern Vertheidigung wegen in Zeiten des Kriegs, theils um die Besuche wilder Thiere des Nachts abzuhalten. Ein schmaler Steg führt über den Graben an einem Ende des Dorfes; der einzige Zugang zu demselben.

Die Abstammung der Einwohner ist die Malayische. Sie sind stark, wohlgebildet, kraushaarig, olivenfarbig, sehr kriegerisch, rachsüchtig; thierischen, sinnlichen Genüssen sind sie oft bis zum Wahnsinn ergeben. Nach Art indischer Stämme scheiden sie sich in Kasten; aus den vornehmsten werden ihre Fürsten, ihre Priester und ihre Richter gewählt. Die Priester können schreiben und lesen und sind Bewahrer der Religionsgeheimnisse. Der Malagasse verehrt ein gutes und ein böses Wesen; beide theilen sich, nach seinen Begriffen, in die Herrschaft des Himmels und der Erde.

Es ist die gewöhnliche Tendenz religiösen Aberglaubens, über die stärksten und zartesten Triebe der Natur eine teuflische Gewalt auszuüben und nach ihrer Vernichtung und Unterdrückung zu streben; aber kaum giebt es eine so scheußliche Aeußerung seiner Macht, wie hier, unter irgend einem Volke. Eine von den Priestern genährte Vorstellung schreibt jedem Tage einen allmächtigen Einfluß zu, der bald für Dieses, bald für Jenes böse oder gut sey. Gewisse Tage halten sie für unheilbringend jeder organischen Neugeburt so sehr, daß sie die Zerstörung derselben für einen Pflichtakt der Barmherzigkeit betrachten. Es werden daher alle an solchen Tagen gebornen Kinder von den Aeltern gemordet, welche damit Gott das wohlgefälligste Opfer zu bringen wähnen. Schauderhaft ist die Art die Schauerthat zu vollziehen. Man denke sich den neugebornen Menschen, das Bild der Hülflosigkeit, hingegeben der Marter; seine Henker – die Aeltern. Lächelnd liegt es in den Armen der Mutter, die es still und andächtig unter den Agonien der Liebe und des Aberglaubens, gefolgt von dem Vater und den Verwandten, hinaus vor’s Dorf trägt und es niederlegt in den Staub queer vor dem Steg, den Alles, was aus- und eingeht, wandeln muß. Unfern von dem wimmernden Geschöpfchen setzen sich die Aeltern und Verwandten nieder. Die Menschen gehen und kommen: aber sie schreiten über den Gegenstand des Jammers, der sich im Staube windet, hinweg. Erst den Fußtritten der heimkehrenden Heerde ist’s vorbehalten, seine Leiden zu endigen. –

Bisweilen geschieht es wohl, daß ein solches Kind einen ganzen Tag liegt, und nur leicht verwundet, oder unverletzt davon kommt. In diesem Falle nimmt es ein Priester auf, reinigt es im geweiheten Wasser und unter dem Jubel des Volkes giebt er’s den entzückten Aeltern zur Pflege zurück! Der böse Zauber des Tages ist dann durch die Macht des guten Geistes gelöst, und das Kind wird fortan als dessen Schützling betrachtet.



Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/154&oldid=- (Version vom 24.10.2024)