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Nach langen Jahren erhielten die Nachkommen die Besitzungen zurück und vom Kaiser die Erlaubniß zum Wiederaufbau der Burg. Eine Fehde mit dem Bischofe von Naumburg führte die zweite Zerstörung derselben im Jahre 1348 herbei. Das Geschlecht der Gültenberge erlosch, und vom 16ten Jahrhunderte an änderte die Burg öfters ihre Besitzer. Die Familien Bünau, Kreuzen, Zech, Brühl und Schönberg besaßen sie wechselsweise. Schon zu Ende des 17ten Jahrhunderts war sie theilweise verfallen. Gänzlich verlassen wurde sie erst 1730 und seitdem ist sie, als Ruine, eine Zierde der Landschaft.

Den ehemaligen großen Umfang der alten Veste kann man noch aus den Trümmern deutlich erkennen. Brustwehren und Wälle umgaben einen äußern Hof, und eine sehr hohe Mauer, mit einem tiefen und breiten, in den Fels gehauenen Graben, umschloß die eigentliche Burg. Noch erkennt man an der Mauer die hervorstehenden Quadern, in denen die Angeln der Fallbrücke ruheten, welche letztere ein Bollwerk vertheidigte. Aus der Mitte der Veste erhob sich ein ungeheuerer viereckiger Thurm, dessen untere Mauern 12 Fuß dick waren. Der Eingang in denselben war 50 Fuß über dem Boden. In seinen tiefsten Gewölben sieht man noch das Burgverließ. Bei dessen kürzlich geschehener Aufräumung fand man die Ueberbleibsel menschlicher Gebeine. Welche Geschichten würden diese erzählen, wenn sie reden könnten! –

Der Rudelsburg gegenüber, nur durch eine tiefe Felsschlucht getrennt, stehen die Ruinen von Saaleck: – der Burg Karls des Großen, und des nachherigen Sitzes eines berühmten, längst erloschenen Geschlechts.

Nur 2 hohe, runde Thürme sind noch übrig; alles Uebrige ist versunken, und blos mit Bäumen bewachsene Schutthügel deuten den Standort der ehemaligen Gebäude dieses prachtvollen Schlosses an. Zwischen beiden Thürmen sieht man den Brunnen, der hinab drang bis unter den Spiegel der Saale. Er ist jetzt zur Hälfte verschüttet; jeder der Hinkommenden will die Tiefe durch einen Steinwurf beurtheilen, und so füllt er sich allmählich aus. Von dem höchsten der Thürme, in dem der jetzige Besitzer sich ein freundliches Zimmer eingebaut hat, und der bequem zu ersteigen ist, genießt man, nach Ost und West, hinauf und hinab in das Saale-Thal eine reizende Aussicht.

Als die ältesten Besitzer Saalecks nennt die Geschichte das Dynastengeschlecht der Schenken von Vargula, berühmt in Thüringens Geschichte. Nach dessem Aussterben gab der Kaiser Schloß und Gut den Bischöfen von Naumburg zu Lehn. Diese benutzten die stattliche Burg zu ihrem Sommeraufenthalt, und in jener Zeit des äußersten Verderbnisses der Kirche (im 14ten Jahrhundert) waren die einsamen Mauern Saalecks öfters Zeuge von Scenen, von welchen die einfältige Laienwelt kaum eine Ahnung hatte, so frech und toll auch mancher geistliche Oberhirte in den Städten sein Wesen trieb. „Der bischöfliche Sitz zu Naumburg,“ berichtet eine alte Handschrift aus jener Zeit, „war eine

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/149&oldid=- (Version vom 22.10.2024)