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wegen kam es zwischen dem Geschlechte Münchhausen und dem der Gültenburge, welches auf der nahen Krainburg seinen Hauptsitz hatte, zur Fehde, die der Erbhaß ein paar Jahrhunderte lang nährte. Der Rudelsburger Zweig der Münchhausen war bereits im zwölften Jahrhunderte bis auf ein einziges Auge verdorrt. Ritter Otto, der letzte seines Stammes, hatte im heiligen Kriege seinen Sohn verloren; eine einzige Tochter war ihm geblieben, und der durch Alter entnervte Arm des Vaters war unvermögend, seine nach Hülfe schreienden Hintersassen gegen den drangsalirenden Nachbar zu schützen. Da that Otto den ersten schweren Schritt zur Aussöhnung. Er lud den Krainburger, diesem für sicheres Geleit sein Ehrenwort einsetzend, zu einem Fastnachtsschmauß. Ludwig von Gültenburg kam. Mit einer wechselseitigen freundschaftlichen Erklärung war der langwierige Hader aufgelöst, der böse Geist entwich und der der Liebe kehrte ein. Otto’s reizende Tochter, die reiche Erbin, wurde Ludwigs Hausfrau. Im Heirathsvertrage hatte man aber ausgemacht, daß, wenn die Ehe mit mehren Söhnen gesegnet, einer der jüngeren die mütterlichen Besitzungen erben, das Münchhausen’sche Wappen führen, am väterlichen Gute aber keinen Antheil haben solle; und am Hochzeittage that Hildegard laut das Gelübde, daß, wenn Gott ihr mehre Söhne schenke, sie den Klöstern zu Weißenfels und Naumburg, jedem tausend meißnische Gulden verehren wolle.

Es traf ein. Ludwig und Hildegard hinterließen 2 Söhne; der jüngere bekam die Rudelsburg mit dem mütterlichen Gute. Es war ein braver, redlicher, freundlicher Mann, allgemein geachtet; aber sein Sohn, auch ein Otto, schlug gänzlich aus der Art. Er wilderte auf Abenteuer umher, ein berüchtigter Raufbold; und als der Vater aus Gram über ihn starb, trieb er es ärger, als zuvor. Er bewaffnete seine Bauern und übte mit ihnen die adeliche Straßenräuberei auf eine gräuliche Weise aus. Sein Burgverließ füllte sich mit Schlachtopfern an, sein Schatz mit unrechtem Gute. Er baute eine Brücke über die Saale, blos um Vorwand zu haben zu Erpressungen. Da mußte jedes Schiff, das sie passirte, und Jeder, der des Wegs zog, schweres Zoll-, Brücken- und Geleitsgeld zahlen, und weder Freund noch Feind kam ungerupft durch. Dieses unwürdigen Otto’s Sohn war nicht besser als der Vater. Er war der Schrecken und die Geißel des Landes 10 Meilen in der Runde. Vergeblich waren die Klagen bei Kaiser und Reich. Sie wurden nicht gehört, oder das Raubgesindel verlachte die kaiserlichen Befehle, die ohne Kraft waren.

Aber der große Habsburger kam, und mit ihm die Stunde der Vergeltung. 1289 erschien der Kaiser in Erfurt, wohin er einen Reichstag ausgeschrieben hatte; ihm nach zog ein kleines, aber streitgeübtes Heer. Nun ließ er von allen anwesenden Fürsten den Landfrieden beschwören, und wie ein Sturm ging’s dann zur Vertilgung der adelichen Räuber von Burg zu Burg. An einem Tage richtete er zu Ilmenau über 28 gefangene Stegreifritter. Alle büßten mit dem Strang. Der Rudelsburger entging seinem wohlverdienten Schicksal auch nicht. Nach heftiger Gegenwehr fiel er, beim Sturme der Burg verwundet, von der Mauer, auf der er kämpfte, und wurde jämmerlich zertreten; die eingenommene Veste aber wurde geplündert, angezündet und zerstört. Dieß geschah 1290.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/148&oldid=- (Version vom 3.9.2024)