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Ganz Spanien, das an schönen Kirchen so überreiche, besitzt keinen herrlicheren Tempel. Schon zur Zeit des Columbus sang ein spanischer Dichter:

Burgos ist der Städte Krone,
Burgos’ Cid die Kron’ der Ritter,
Burgos’ Dom die Kron’ der Kirchen.

Armes Burgos! Was damals dich zierte und ehrte, ist auch heute noch dein Schmuck und dein Ruhm! aber du selbst, du alte Hauptstadt Kastilien’s! bist nur noch ein Schatten von Ehedem, ein Bettler, der im Königsmantel einhergeht. – Nichts Erhabneres, als der Anblick von Burgos aus der Ferne, dieses Waldes von prachtvollen gothischen Thürmen, die der Stadt das Ansehen geben, als wäre sie ein großer Pallast des lebendigen Gottes. Aber kömmt man in die Stadt selbst, wie grell ist der Gegensatz! Die Straßen sind unregelmäßig, größtentheils enge, schmutzig; viele sind ohne Pflaster; die Entvölkerung (von den 80,000 Einwohnern in den Tagen ihres Glanzes sind 7000 übrig!) fällt mit allen ihren Merkzeichen sogleich in die Augen. Selten begegnet man einem Vorübergehenden, und in den Hauptstraßen wächst Gras! Es gibt eine königliche Kammer für Manufakturen und Handel; aber der größere Verkehr und die Fabriken haben hier längst aufgehört, und jene mit Richtern und Assessoren reichlich versehenen Collegien füttern nichtsthuende Sinekuristen. Für das ewige Heil der Hand voll Bewohner wird durch 24 Kirchen und durch 22 Klöster und Abteien gesorgt! Die Klöster nehmen ganze Straßen ein, und die öftere Wiederkehr ihrer unabsehlich langen Fronten mit vergitterten und verschlossenen Fenstern und Thüren, in welchen, seit Aufhebung der religiösen Orden, keine menschliche Seele mehr haust, vermehrt die Einsamkeit. Vor der Unterdrückung der geistlichen Corporationen zählte Burgos über 900 Mönche. Man konnte sagen: die ganze Stadt sey ein großes Kloster. –

Tief haben die priesterlichen Sitten hier Wurzel geschlagen und noch ist ihr Gepräge unverwischt. – Du siehst keine lachende Miene auf den Gesichtern der Vorübergehenden; die meisten haben den Ausdruck eines stupiden Ernstes, der die Langeweile und Gedankenlosigkeit als Gott verehrt. Hier ist keine der Vergnügungen zu finden, an die der Fremde in jeder größern Stadt gewöhnt ist. In Burgos gibt es keine Bälle, keine Salons, keine Unterhaltung und keine Intelligenz. Bleich und matt schleichen die Nachkommen des großen Cid durch ein Leben, dessen Thatenlosigkeit den Namen schändet, auf den sie stolz sind. Sie haben die Erinnerung an’s Große nicht verloren; aber der Sinn und die Begeisterung dafür scheinen ausgestorben zu seyn.

Doch, wenden wir das Auge weg von dem Nachtgemälde der Stadt und kehren es der Kathedrale zu, die uns an diesem Orte wie eine himmlische Erscheinung vorkommt! Dieser wundervolle Bau, durch dessen hohe Pforten die

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/12&oldid=- (Version vom 9.10.2024)