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versenken sollte, sieht man zum Theil vermauert, und Fenster und Thüren da, wo sie ohne Störung der Symmetrie nicht angebracht werden konnten. Man opferte der Bequemlichkeit und dem spätern Bedürfniß vielfach Harmonie und Schönheit auf.

Nur im Innern des Schlosses darf man Befriedigung der Erwartungen suchen, welche die Fernansicht erweckt hat. Mit dem ersten Tritte in die herrlichen Säle und Gemächer, deren Schönheit und wahrhaft königliche Pracht Bewunderung abnöthigen, fühlt man sich ausgesöhnt mit dem Architekten und vergißt seinen Mangel an Sinn für edle Einfachheit und wahre Größe.

Schon die Marmortreppe verdient Lob, und obschon sie nicht plangemäß vollendet worden ist, rechnet man sie doch mit Recht unter die schönsten ihrer Art. Hohe, mit kostbar vergoldeten Säulen verzierte Vorgemächer und Salons empfangen und leiten den Eintretenden zum großen Thronsaal. Er ist ausgestattet mit allem Pomp und Gepränge der Königsmacht. Hier ist der güldene Thron, auf welchem sich Spaniens Purpur bei feierlichen Staatshandlungen brüstet. Schöne Gemälde zieren die Decke dieses Raums, Meisterstücke des genialen, aber oft flüchtigen und incorrekten Venetianers Tiepolo. Statuen von Marmor und Bronze füllen die Cornichen, und die kostbarsten Bildhauerarbeiten rahmen jede Thüre und jedes Fenster ein.

Anziehender noch als die neue schmückt die alte Kunst dieses Prachtgemach, und die Menge der hier ausgestellten antiken Vasen und Bildwerke in Marmor und Bronze ist erstaunend. Die Wände sind mit Hautelissen belegt, spanische Arbeit; und mit Spiegeln, welche an Größe ihres Gleichen suchen. Um den Thron stehen allegorische Statuen, deutend auf die königliche Macht und Herrlichkeit. Man sieht die Königreiche und die Provinzen der spanischen Monarchie Huldigungen darbringen; fremde Reiche um Frieden und Freundschaft bitten; Triumphe der spanischen Waffen durch alle Zeiten und in allen Zonen. Aus dem Thronsaal wird man in den großen Speisesaal geführt. Dieser ist kaum weniger groß und prächtig als jener. Mengs malte die Decke; und die Bildnisse der spanischen Könige, in voller Rüstung und zu Pferde, sind bewunderte Meisterwerke des Velasquez. Auch von Vanloo sind einige da; zu jenen erscheinen sie jedoch unbedeutend. Dem Speisesaal gegenüber führt eine vergoldete Thüre in das königliche Audienzzimmer, das unmittelbar mit den Privatgemächern des Monarchen in Verbindung steht. Die nämliche Pracht, nur in andern Formen, macht sich hier bemerklich. Unter dem Bilderschmuck treten zwei Tafeln von Mengs hervor: eine Apotheose des Herkules, und jene berühmte Tafel, die Verkündigung, bei deren Vollendung der Tod den Urheber überrascht hat. Schwer reißt man sich los von diesem Bilde, in welchem der Kopf der Marie unaussprechlich schön und reizend gedacht und ausgeführt ist. In den anstoßenden Sälen hängen Werke der alten Kunst: die Titiane, die Raphaele, die Murillos, die Rubens und Paul Veronese’s, die Corregios und Vandyks. Die Titiane übertreffen hier Alles, was man anderwärts von diesem Meister

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/104&oldid=- (Version vom 17.10.2024)