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den Katholiken; den protestantischen Sekten die übrigen dreißig. An 26 medizinischen Collegien lehren 184 Professoren; sie zählen über 5000 Studiosen. Eine öffentliche Büchersammlung fehlt an keiner von allen diesen Schulen; Bibliotheken deutscher Universitäten, in denen sich Bücherschätze Jahrhunderte lang anhäuften, sind es freilich nicht. Doch, obschon die Hälfte jener Institute ihre Gründung nicht über das vergangene Jahrzehend hinausführen kann, so haben doch bereits mehre 30,000 bis 50,000 Bände in ihren Schränken, und die Gesammtzahl der Bücher in allen Bibliotheken übersteigt eine Million. Man vergleiche diese Gymnasial- und Universitäts-Statistik Nordamerika’s mit der von Preußen (der Vergleich ist billig; denn beide Länder haben gleiche Volksmenge, und in keinem Staate Europa’s geschah neuerer Zeit für Schulwesen so viel Rühmliches, als in letzterem!), und dann wage man noch, von einer kärglichen Fürsorge der reichen Republiken für höhere Bildungsmittel zu reden! Wenn man aber erwägen wollte, daß Nordamerika kein ausgewachsener Staatskörper ist, sondern erst ein noch in seiner Bildungsperiode begriffener; daß über ein Drittel jener 200 Hochschulen an Orten blühen, welche vor 35 Jahren noch dichte Urwälder waren, wo der Bär hauste und der Bison, und Indianer kannibalische Feste feierten; wenn man die mehr als königliche Freigebigkeit betrachten, mit welcher alle diese Institute vom Staate ausgestattet worden, und man sehen möchte, mit welcher Bereitwilligkeit der Patriotismus der Bürger der Erweiterung der ältern und der Gründung neuer Bildungsanstalten fortwährend die größten Geldopfer bringt: so würde der unverständige Tadel des Europäers verstummen und er erröthend zugestehen müssen, daß das, was in so kurzer Zeit von Nordamerika geschah, mehr ist, als der Unbilligste zu fordern sich vermessen kann, genug, um die Bewunderung der Welt zu verdienen. Wahrlich! In einem Volke, das in der Zeit, wo es, seiner größeren Zahl nach, noch mit dem Ueberwinden der Natur und ihrer rohesten Anforderungen zu kämpfen hat, vollbringen kann, was Nordamerika leistete, in einem solchen kann keine Geringschätzung geistiger Bildung, keine Gleichgültigkeit für Wissenschaft und Kunst wohnen, und wenn alle andern Zeugen schwiegen, jene Thatsachen würden Amerika’s dereinstige hohe Bestimmung im Reiche der Wissenschaft vollkommen vindiziren. Das Dereinst aber ist vielleicht nicht so fern, daß es nicht viele meiner Leser erleben könnten. –

Die Landesuniversität des Staats Virginien in Charlotteville, gehört jenen Denkmälern an, welche das Andenken wahrhaft großer Menschen segensreich in die spätesten Zeiten tragen. Jefferson, Washington’s Freund und Nachfolger im Präsidentenstuhle, opferte der Gründung dieser Hochschule sein ganzes Vermögen, und die Sorge für ihr Gedeihen füllte, nachdem er vom Gipfel der Macht in den Kreis des Bürgers zurück getreten war, des großen Mannes Thätigkeit noch am späten Lebensabende aus. Auch das Aeußere dieser Anstalt, die selbst von europäischen Sachverständigen als ein Muster für ihres Gleichen anerkannt wurde, trägt das Gepräge des edlen, hochgebildeten Geistes, der sie schuf. Sie ward 1819 eröffnet. Ihr stehen 9 Professoren mit einem Rektor vor. Sie wird stark besucht und zählte im verwichenen Jahre über 400 Studenten.