Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band | |
|
in den vereinigten Staaten von Nordamerika.
Zwei große Epochen theilen die historische Zeit des Menschengeschlechts. In der ersteren hat dasselbe den Zustand der Kindheit durchlaufen. Sein Knabenalter wird von der zweiten bezeichnet. Diese ist’s, welcher auch unsere Zeit und noch eine lange Zukunft angehört. Sie hat begonnen mit der Erfindung der Buchdruckerkunst und der Entdeckung von Amerika.
Schon in dem ersten Jahrhundert nach der Erfindung jener Kunst der leichten und unendlichen Ideenvervielfältigung, äußerte sie die auffallendsten Wirkungen auf die Menschen, und schon in den ersten Dezennien verkündigte des Wissens erster Dämmerungsstrahl den Massen, welche bisher in tiefer Nacht der Unwissenheit gelebt, einen kommenden Tag. Der Völker Geist fing an, unveräußerliche Rechte zu ahnen, die Vernunft begann das Terrain zu untersuchen, auf dem ihr künftiges Universalreich sich aufzurichten habe, man begann zu nivelliren und aufzuräumen, die Nothwendigkeit zu ebnen, folglich abzutragen und auszufüllen die Höhen und Tiefen der Gesellschaft, trat hervor und wurde verstanden. Von der Idee erweckt, regten sich Kräfte, welche von Anbeginn des Geschlechts geschlummert, und Wünsche bewegten die Völker, die sie früher selbst nicht ahneten. Die Geschichte hörte auf, ein Schauspiel zu seyn, in welchem die Rollen blos an einzelne Kasten, Familien und Individuen vergeben waren und zu dem die Nationen sich wie stumme Zuschauer verhielten. Die Völker der Erde verlangten selbst-handelnd auf der Bühne zu erscheinen.
Dieß konnte nicht anders als gewaltsam geschehen, denn sie waren gefesselt; auch nicht ohne Widerstand von Jenen, welche die Vortheile der Gesellschaft so lange als Monopol ausgebeutet hatten. Da wurden neue Fesseln geschmiedet und neue Waffen erfunden gegen die Wirkung der beflügelten Ideen. Hohe Zeit war’s; denn schon hatten viele Völker die allerdrückendste ihrer Ketten, die der geistlichen Tyrannei, zerrissen, und die Kirchen-Reformation verkündigte der Welt Freiheit des Gewissens. Eins durch Gefahr, traten eifersüchtige Mächte zum Bunde zusammen. In Schlachten warfen sie aufgestandene Völker nieder; doch wurde die Freude des Siegs vereitelt durch die Entdeckung, daß ihr gefährlichster Feind nicht materieller, sondern von unsichtbarer und unaustilgbarer Natur sey, und ein Streit gegen ihn mit Eisen und Blei wenig fruchte. Auch der Thor kann rufen: Steht, ihr
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam und New York 1837, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_4._Band_1837.djvu/90&oldid=- (Version vom 18.9.2024)