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Nordamerika’s noch schlummert, belebt und veredelt die hiesige Gesellschaft auf eine, auch dem oberflächlichsten Beobachter bemerkliche Weise, und sein veredelnder Einfluß auf Conversation, Umgang und Denkart ist unverkennbar und thut besonders dem Fremden, der ihn in manchen andern großen Städten schmerzlich vermißt, äußerst wohl. Dieser Sinn, im Verein mit dem Patriotismus, hat eine Menge Institute in’s Leben gerufen, die ihn hinwiederum nähren und unterhalten. – Das Athenäum (ein öffentliches Museum) enthält, in einem prächtigen Lokale, eine Bibliothek von 40,000 Bänden, ein kostbares Medaillen- und Münzkabinet von 16,000 Nummern, Naturalien- und Kunstsammlungen verschiedener Art. Die Kunst-Gallerie, auch in einem schönen und zweckmäßig eingerichteten Lokale, ist nicht blos eine werthvolle Sammlung von Gemälden, Handzeichnungen, Kupferstichen und Bildhauerarbeiten, sondern mit ihr ist auch ein Kunstinstitut verknüpft, und in geräumigen Hörsälen halten die angestellten Professoren wöchentliche Vorlesungen über Kunst und Kunstgeschichte, zu denen auch das größere Publikum freien Zutritt genießt. Die Massachussetts-Gesellschaft für Geschichte hat eine Bibliothek von 18,000 Bänden, und kostbare Bücher und andere Sammlungen besitzen die hiesigen Vereine für Gartenkunst, Botanik, das polytechnische (Mechanik’s) Institut, das Collegium der Aerzte etc. Außerdem bestehen für Zwecke allgemeiner Bildung hier noch 3 große Vereins-Bibliotheken von zusammen über 36,000 Bänden; und man wird in Boston nicht leicht nach einem classischen, oder bedeutenden, Werke in lebenden oder todten Sprachen vergeblich suchen. Von welcher europäischen Handelsstadt ließe sich das Nämliche sagen? –

Das Bostoner Neu-englische Museum für Naturhistorie etc. etc. ist eines der reichsten in der Union. Unter den höhern Lehranstalten zeichnen sich mehre Lyzeen aus, ein vortreffliches medizinisches Seminar und die Akademie der Wissenschaften und Künste. Eine Menge mildthätiger Anstalten geben vom Wohlthätigkeitssinn der Bostoner auch schönes Zeugniß! Ich erwähne unter vielen der Irrenanstalt, des allgemeinen Arbeitshauses von South Boston, des Waisenhauses und des Massachussetts-Hospitals, theils der Großartigkeit ihrer Anlage willen, als wegen der Vortrefflichkeit ihrer Einrichtung. Alle diese Institute bestehen und gedeihen auf demselben Boden, aus dem in jenem Lande alles Große und Gute sproßt, auf dem des Gemeinsinns. Sie besitzen einen Fonds von mehr als 2 Millionen Dollars durch Privat-Dotation, und ein jährliches Gesammt-Einkommen aus freiwilligen Beiträgen von ungefähr 160,000 Dollars. Für Volkserziehung im Allgemeinen geschieht unglaublich viel; aber nicht blos hier, sondern durch ganz Massachussetts. Die Bürger dieses Freistaats, der noch nicht die Größe und Volksmenge von Baden hat, steuern zum Unterhalte der Elementarschulen allein jährlich 200,000 Dollars. Keinen Weiler von 10 Wohnungen gibt es, der nicht seine Schule besäße, kein Dorf ohne eine Druckerei und eine Zeitung.

Das Innere Boston’s hat nicht das gewöhnliche Ansehen amerikanischer Städte, sondern mehr das eines Handelsorts in alt-englischem Geschmacke. Die Straßen sind oft eng und winkelig: aber was ihnen an Regelmäßigkeit und Weite abgeht, wird durch die Stattlichkeit und Schönheit ihrer Gebäude, die außen und innen