Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band | |
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von einem zweistündigen Durchmesser ausmachen. Boston für sich hat 80,000 Einwohner; mit Zuziehung jener sich schnell vergrößernden Nebenorte etwa 110,000.
Boston rühmt sich des besten Hafens in der Union, und 500 beladene Seeschiffe können, geschützt gegen alle Winde, vor den Kayen der Stadt mit vollkommener Sicherheit ankern. Der Eingang ist so schmal, daß kaum 2 Fahrzeuge neben einander in demselben Raum haben; aber er ist tief und gefahrlos. Zwei Forts und mehre Batterien auf den benachbarten Eilanden vertheidigen ihn vollkommen, und so, daß die größte Kriegsflotte den Eingang nicht zu erzwingen vermöchte. In Kriegszeiten gilt daher Boston den nordamerikanischen Kauffahrern und Kreuzern als das sicherste Asyl.
Boston verdankt seine erste Gründung den Vortheilen seiner natürlichen Lage, welche es durch Schifffahrt und Handel früh auszubeuten verstanden hat. Es erhob sich zur ersten Stadt im brittischen Nordamerika, und war bis zur Zeit der Revolution Sitz der obersten Behörden. Groß und reich schon zu einer Zeit, als die meisten der jetzigen Hauptstädte der Vereinstaaten noch nicht gegründet waren, charakterisirten seine Bürger der Geist der Freiheit und das Streben nach Unabhängigkeit schon lange vor der Trennungsperiode. Es wurde zur Wiege der Revolution und die standhafteste Vertheidigerin derselben. Franklin war ein Bostoner; Hancock, Boston’s Congreßdeputirter, war der erste, welcher in der ewig denkwürdigen Sitzung am 4. Juli 1776, mit kühnem Federzug, jenen verhängnißvollen Beschluß unterschrieb, durch welchen sich die vereinigten Colonien vor der Welt als einen freien und unabhängigen Staat proklamirten, ein Beschluß, der ihnen hinfort nur die Wahl ließ zwischen Verderben und Herrlichkeit[1].
Der ächte Geist der Freiheit und Humanität verleugnete sich auch nicht im Verfassungswerke von Massachussets, welches drei Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung zu Stande kam, und an dem Boston überwiegenden Antheil nahm. „Alle Menschen sind frei und mit gleichen Rechten geboren!“ – so heißt der erste Artikel seiner
- ↑ Diese denkwürdige Akte, die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten, die ich nie ohne innere Erhebung lese, lautet im Wesentlichen also:
Wenn im Laufe der Ereignisse ein Volk genöthigt wird, politische Bande aufzulösen, und Gebrauch zu machen von seinem ihm von Gott und der Natur überkommenen Rechte, sich selbstständig unter die Mächte der Erde zu reihen, dann erfordert’s die Achtung vor der Meinung der Menschen, daß es die jene Lösung veranlassenden Ursachen öffentlich verkünde.
Voraus gehe das Bekenntniß, daß wir Folgendes für wahr halten, für ausgemachte und unumstößliche Wahrheit, die keines Beweises bedarf.
1) Daß alle Menschen gleich geboren sind;
2) daß alle von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, zu welchen gehören: Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit;
3) daß Sicherung dieser Rechte der Zweck sey, warum die Menschen Regierungen unter sich eingeführt haben;
4) daß alle gerechte Gewalt solcher Regierung von der Zustimmung der Regierten ausgehe;
5) daß allemal, wenn eine Staatsgewalt, ihren Zweck verkennend, zerstörend in jene Rechte eingreife, das Volk das Recht habe, jene zu ändern oder abzuschaffen; [40]
und 6) daß in solchem Falle das Volk das Recht habe eine neue Regierung einzusetzen und dies auf solche Grundlagen und in solcher Form zu thun, wie es ihm zu seiner Sicherheit und seinem Glücke am erforderlichsten scheint.
Die Klugheit zwar gebietet, schon lange bestehende Regierungen nicht um leichter, oder vorübergehender Ursachen willen zu ändern und demgemäß hat alle Erfahrung gezeigt, daß die Menschen geneigter sind, die Leiden zu ertragen, so lange sie zu ertragen sind, als sich durch Vernichtung der Formen, an welche sie sich einmal gewöhnten, selbst Recht zu verschaffen. Wenn aber eine lange Reihe von Mißbräuchen und Rechts-Eingriffen, welche unabänderlich und immerdar das nämliche Ziel verfolgen, die Absicht beweisen, das Volk allmählich der absoluten Willkürherrschaft zu unterwerfen, so hat dieses das Recht nicht nur, sondern es ist auch seine Pflicht, eine solche Regierung umzustoßen und neue Schutzwehren für seine künftige Sicherheit anzuordnen.
Aus dieser Erkenntniß erklärt sich das bisherige stille Dulden dieser Colonieen, aber auch die jetzige Nothwendigkeit, welche sie zwingt, das bisherige Regierungssystem zu ändern. Die Staatsgeschichte des gegenwärtigen englischen Gouvernements ist, in Bezug auf diese Landstriche, eine Geschichte wiederholter Ungerechtigkeiten und ungebührlicher Anmaßungen, welche die Aufrichtung einer unumschränkten Gewaltherrschaft über diese Staaten erzielten. Zum Beweise dessen führen wir folgende Thatsachen auf.
Es hat das brittische Gouvernement mehren der heilsamsten und nothwendigsten Gesetze für die gemeine Wohlfahrt seine Genehmigung versagt;
Es hat seinem Statthalter verboten, Gesetze von unaufschiebbarer Wichtigkeit rechtskräftig zu machen; oder jenen veranlaßt, ihnen nicht die rechte Ausführung zu geben;
Es hat das Volk versucht, sein verfassungsmäßiges Recht, das der direkten Mitwirkung bei der Gesetzgebung durch seine Vertreter, aufzugeben, – ein Recht, dem Volke unschätzbar, furchtbar nur den Tyrannen;
Es hat die Volksdeputirten an unbequeme, weitentlegene und andere als die üblichen Versammlungsorte citirt, um sie durch Ermüdung seinem Willen geneigter zu machen;
Es hat die Landtagsversammlungen, wenn sie sich mit mannhafter Festigkeit den Gouvernementseingriffen in Volksrechte widersetzten, mehrmals aufgelöst;
Es hat nach solchen Auflösungen die Wahl und Einberufung neuer Repräsentanten über die verfassungsmäßige Zeit verschoben, wodurch das Volk behindert worden, seine gesetzgebende Gewalt, die rechtlich unvernichtbar ist, vollständig auszuüben;
Es hat die Einwanderung, gegen den Willen und den Vortheil dieser Staaten, erschwert;
Es hat die Handhabung unpartheiischer Gerechtigkeitspflege durch seine Einwirkung vielfach gestört;
Es hat die Richter in ihrer, von der Exekutivgewalt nothwendigen Unabhängigkeit beeinträchtigt, indem es willkürlich die Richter-Gehalte verminderte und erhöhete;
Es hat eine Menge neuer, unnöthiger Staatsämter geschaffen, und Schwärme von Beamten angestellt, um das Volk zu belästigen und den Lohn seiner Arbeit aufzuzehren;
Es hat mitten im Frieden stehende Heere gehalten, ohne das Volk darum zu fragen;
Es hat unablässig darauf hingewirkt, sich in der Kriegsmacht ein über die Civilgewalt erhabenes Werkzeug seiner Willkür zu erziehen;
Es hat mit andern Mächten Bündniß geschlossen:
a) Zur Verfälschung unserer Verfassung;
b) zur Beschwerung der Bürger dieses Staats mit der Einquartirung fremder Soldaten;
c) zur Abschneidung unseres Handels; [41]
d) zur Auflage neuer Zölle und Abgaben ohne Volkszustimmung;
e) zur Beraubung des Geschwornen-Gerichts;
f) zur Verkürzung unserer verfassungsmäßigen Freiheiten;
g) zur Vernichtung unserer werthvollsten Gesetze und zur despotischen Aenderung unserer Regierungsformen; und endlich
h) zur Suspendirung der gesetzgebenden Gewalt unserer Vertreter etc.
Es hat der Regierung über diese Staaten selbst entsagt dadurch, daß es uns außer den Schutz der Gesetze stellte und Krieg gegen uns führte;
Es hat unsere Meere geplündert, unsere Küsten verwüstet, unsere Städte verbrannt und dieß Volk mit Tod und Verderben heimgesucht.
Es hat Heere fremder Soldknechte gekauft und zu uns herübergeschifft, um durchzuführen das Werk des Elends und der Unterdrückung; ja es hat, unwürdig einem civilisirten Volke, unsere eignen gefangenen Brüder genöthigt, die Waffen zu tragen gegen ihr Vaterland und die Mörder zu werden ihrer Freunde und nächsten Verwandte;
Und endlich hat es durch seine Machinationen blutige Zwiste, Aufstand und Empörung unter uns angezettelt und die wilden Völkerschaften an unsern Gränzen zu Einfällen und zu einer Kriegführung gegen uns gereizt, deren Grausamkeit ohne Beispiel in der Geschichte aller Zeiten ist.
Bei jeglicher Stufe dieser lang fortschreitenden Unterdrückung haben wir auf das allerunterthänigste unsere Regierung um Abhülfe gebeten; die Antwort aber war jederzeit: Wiederholung des an uns verübten Unrechts.
Ein Gouvernement aber, dessen Charakter durch solche Handlungen den Stempel der Tyrannei trägt, ist untauglich ein freies Volk zu regieren.
Wir haben es auch nicht fehlen lassen, an’s brittische Volk zu appelliren. Wir haben zeitig vor den Folgen solcher Unterdrückung gewarnt. Wir haben an die vertragmäßige Erwerbung unserer Freiheit erinnert. Wir haben appellirt an die brittische Hochherzigkeit und Gerechtigkeitsliebe, und unsere Mutter beschworen bei den Banden des Bluts, abzulassen von dem unwürdigen Streben nach Willkürherrschaft über ihre Kinder. Auch England blieb taub gegen die Stimme der Gerechtigkeit und Verwandtschaft. Daher bleibt uns nichts mehr übrig, als nachzugeben der unabweislichen Nothwendigkeit einer Trennung der alten Bande und das brittische Volk fortan für nichts mehr und für nichts weniger zu halten, als das, was uns die übrige Menschheit ist: – für Feinde im Krieg, für Freunde im Frieden.
Wir daher, die im General-Congreß gegenwärtig versammelten Vertreter des Volkes der Vereinigten Staaten von Nordamerika, indem wir für die Reinheit unserer Absichten den höchsten Richter der Welt zum Zeugen anrufen, verkünden hiermit feierlichst und erklären im Namen und aus Machtvollkommenheit des Volkes, das uns erwählt und gesendet hat, daß diese vereinten Colonien fortan freie und unabhängige Staaten sind und bleiben wollen, und kraft jener in uns wohnenden Machtvollkommenheit sprechen wir sie los und ledig von allem Gehorsam gegen die brittische Krone und lösen jegliche bisher bestandene politische Verbindung zwischen ihnen und dem brittischen Reiche gänzlich auf. Als freie und unabhängige Föderativ-Staaten sollen sie fortan volle Gewalt haben Krieg anzufangen, Frieden zu schließen, Bündnisse einzugehen, Handel zu treiben, und überhaupt alles zu thun und zu lassen, wozu unabhängige Staaten völkerrechtlich befugt sind. Und zur Aufrechterhaltung dieser feierlichen Erklärung verbürgen wir uns mit festem Vertrauen auf den Schutz der göttlichen Vorsehung, Einer für Alle und Alle für Einen, mit unserm Leben, unserm Hab und Gut, und unserer unverletzten Ehre.Unterz. John Hancock, Präsident.
(Die Unterschriften aller Congreßglieder folgen.)
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam und New York 1837, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_4._Band_1837.djvu/73&oldid=- (Version vom 17.9.2024)