Seite:Meyers Universum 4. Band 1837.djvu/64

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Regel fest bestimmt sind, sank auch die Baukunst zur Sklavin herab, und in Dörfern wie in Flecken, in Landstädten wie in der Metropole, kurz durch das ganze Reich, sind die Wohnungen von einer ermüdenden Gleichförmigkeit. Sie sind klein, niedrig, von bald vergänglichem Material; doch inwendig bequem und bei den Reichen kostbar eingerichtet. Die Straßen sind durchgängig eng, mit flachen Steinen gepflastert und werden reinlich gehalten. – Oeffentliche Plätze sind wenige, und diese von geringem Umfang. Das merkwürdigste Gebäude Nankings ist der Porzellain-Thurm (von einem mit Porzellain gedeckten Dache den Namen führend) in der allgemein bekannten Form, 8 Stockwerke und 200 Fuß hoch.

In den Umgebungen der Stadt zeichnen sich die anmuthigen Gartenanlagen vieler reichen Handelsleute und Mandarinen durch Schönheit und Größe aus. – Die sogenannten Kaisergärten sind eine Privatdomaine der kaiserlichen Familie und sie werden auf das sorgfältigste erhalten, obschon öfters Jahre vergehen, ehe sie der Monarch einmal besucht. Diese Parkanlagen haben, wie die in Peking, etwas Phantastisches; aber sie sind werth dem Beherrscher so vieler Millionen zum Vergnügen zu dienen. Künstlich gegrabene Seen und Flüsse wechseln mit aufgeworfenen Hügeln und aufgeschichteten Felsen, mit kühlen Grotten und unterirdischen Gängen ab, und das Ganze ist ausgestattet mit einer großen Menge Gebäude, bald zum stillen Genuß einer Vista, bald zur bequemen Wohnung eingerichtet. Man kann nicht umhin an die Gärten der Zauberin Armide zu denken.

Alljährlich, am 15. des ersten Monats, (nach unserm Kalender zu Anfang März) wird durch ganz China ein Fest gefeiert, an welchem alle Klassen gleichen Antheil nehmen und an welchem auch die kaiserlichen Gärten dem Publikum geöffnet werden. – Es ist dieß das Laternenfest: der Fasching der Chinesen. – Wer eine Laterne und ein Licht bezahlen und tragen kann, der putzt jene her, sey es als Thiergestalt, oder mit transparenten Inschriften und mengt sich damit in des Volkes buntes Gewimmel, wo Witz und Frohsinn vollen Lauf haben. Schon am Tage zieht man mit den Laternen, die auf hohen Stäben getragen werden, prozessionsartig in Straßen und Gärten umher. Dieser Moment ist in unserm Stahlstich veranschaulicht. Das kostbare Blättchen wird das Interesse der Leser um so mehr fesseln, da es nach einer an Ort und Stelle gemachten sorgfältigen Zeichnung gestochen ist.