Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band | |
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Volk, Umfang und Wohlstand. Zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts bekam es (den günstigen Umstand der Religionsverfolgungen in Böhmen, weshalb 3000 Studenten auswanderten, benutzend) Universität, bald darauf Meßrecht, und als die Grundpfeiler der alten Hansa niederstürzten, als das Band, welches die ältern deutschen Handelsstädte zusammengehalten hatte, sich auflöste, gelang es Leipzig, von den Trümmern so viel zu erhaschen, als seine geographische Lage, in der Mitte Deutschland’s und von schiffbaren Strömen fern, nur irgend gestattete. Seit dem dreißigjährigen Kriege, von dessen Drangsalen es seinen guten Theil trug, hat sich Leipzig stets im Aufblühen erhalten. Nach dem siebenjährigen Kriege ebnete es seine Festungswerke, Mauern und Wälle, und wandelte sie in einen weiten und prächtigen Kranz der herrlichsten Gartenanlagen um. Die Begüterten und Reichen suchten nun häufig für ihre Wohnungen das Freie, und in den Vorstädten, welche noch bis in die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts meistens aus unansehnlichen, barackenähnlichen Häusern bestanden, stiegen Palläste auf, und reiheten sich die stattlichsten Wohnungen allmählich zu prächtigen Straßen an einander. Auch im Innern der Stadt trat gleichzeitig vortheilhafte Aenderung ein. An die Stelle der alten Häuser von Fachwerk entstanden nach und nach große, steinerne Gebäude, und so groß war die Umwandlung binnen einem halben Jahrhundert, daß zu Anfang des jetzigen mit Recht Leipzig als eine der schönsten Städte Deutschland’s gepriesen wurde, welche mit dem königlichen Dresden rivalisirte.
Auch in neuester Zeit hat Leipzig mit dem Verschönerungsstreben, welches ein charakteristisches Zeichen der Gegenwart ist und in allen größern deutschen Städten gleichsam Wunder schafft, Schritt gehalten und kein Jahr vergeht, ohne daß nicht die Stadt durch Neu- und Umbau an Größe und Glanz ansehnlich gewänne. Die Vermehrung des Wohlstandes und der Volksmenge steht damit auf die erfreulichste Weise in Wechselwirkung, unähnlich manchen Erscheinungen, namentlich in einigen Städten des südlichen Deutschlands, deren Großwachsen an Treibhauskünste erinnert. Leipzig, das vor 50 Jahren 1200 Häuser und 35,000 Bewohner zählte, umfaßt jetzt über 1600 meistens große Wohnungen und die Seelenzahl ist über 50,000 gestiegen. Kein Ort in Deutschland, nehmen wir einige Residenzen, wo das Mark von Königreichen die Metropole nährt und groß zieht, aus, und Elberfeld, Triest und Frankfurt etwa, kann des Aufblühens in so großartigem Maasstabe sich rühmen.
Die bedeutendsten Gebäude, großentheils in schönem und großem Style aufgeführt, sind das Rathhaus (noch ein Werk aus dem 16ten Jahrhundert), die Handelsbörse, die Thomas- und Nicolai-Kirche, der Auerbachshof, die Pleißenburg (das Schloß) mit der Sternwarte, das Gewandhaus, das Paulinum, das Theater, die Thomasschule, die neuerbaute Buchhändlerbörse und verschiedene andere. Unter den zahlreichen, ausgezeichnet schönen Gärten verdient der Reichelsche, mit seinen schloßähnlichen Gebäuden, Bädern, der Mineralwasseranstalt, und einer Menge als Cottages vermietheter Häuschen mit kleinen Gärten; der botanische
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam und New York 1837, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_4._Band_1837.djvu/40&oldid=- (Version vom 9.9.2024)