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zu untersuchen. Eine Stube von 10 bis 12 Fuß in’s Gevierte, mit ein paar vergitterten Fenstern, die nie gesäubert worden, schmutzige Wände, eine schwarz beräucherte Decke, die mit Spinnweben verziert ist, sind Dinge, welche eben kein Uebermaß von Comfort versprechen. Ein plumper Tisch, dahinter eine Pritsche, machen das Mobiliar aus. Ein Walache trägt Bagage und Mantelsack herein, begleitet von dem Manne mit dem Schlüsselbund, der wie ein Kerkermeister aussieht. Vorsichtig bleibt dieser an der Thüre stehen, dem walachischen Diener seine Verrichtungen anweisend. Den Reisenden bedeutet er, daß er sich Niemanden nähern, Niemanden berühren dürfe. Der Aufwärter geht und kommt wieder mit einem Arm voll Betten, die er auf der Pritsche ausbreitet. Mit ihm erscheint der Arzt: meistens ein unwissender Mensch, der das elende Leben auf der Contumazanstalt dem Verhungern vorzieht. Auch er hält sich vorsichtig an der Thüre, thut in gebrochenem Latein einige Fragen und entfernt sich wieder; der Kerkermeister schließt die Thüre ab und der Reisende ist allein. Wohl mag er sich nun einbilden, er sey ein Verpesteter.

Der Abend kommt, die Schlüssel rasseln, die Thüre öffnet sich: herein tritt ein alter Schnurrbart, die Pfeife im Munde und einen ekelhaften sauern Essiggeruch von sich hauchend. Er hält eine Matratze im Arme, die er neben das Lager des Fremden hinwirft, sagend, er erscheine auf des Direktors Befehl, um ihn zu bewachen. Zwei Schreiber folgen, mit Papier und Schreibzeug, pflanzen sich an der Tafel hin und verlangen genaue Angabe des Kleiderverzeichnisses, protokolliren solches und gehen weg mit der Warnung, daß bei schwerer Verantwortlichkeit während der Quarantainezeit nichts davon entfernt, auch nichts gewaschen werden dürfe. Der Wächter fragt, ob der Reisende essen und trinken wolle. Bejaht er es, so bringt jener eine Flasche sauern Wein, ein großes Glas voll Raki (Zwetschenbranntwein) und irgend ein roh und schlecht zubereitetes Gericht, das er, ohne Tuch, auf den schmutzigen Tisch stellt. Selten wird der Reisende den sauern Wein trinken, wenn er gutes frisches Quellwasser haben kann; aber dieß ist gemeinlich nicht zu erlangen.

Alles vereinigt sich, um den Aufenthalt in der Contumaz unerträglich und wahrhaft kerkermäßig zu machen – schlechte Nahrung, Mangel aller Bewegung und aller gewohnten Bequemlichkeit: kein Wunder daher, daß es selten an Kranken fehlt. Selbst zum Gottesdienst dürfen in der ersten Woche der Contumazzeit die Eingesperrten nicht zusammen kommen. Nachdem die ersten 8 Tage überstanden sind, läßt zwar die rigorose Behandlung etwas nach; aber jeder Berührung eines Andern, sey es auch nur eines Mitgefangenen, wird bis auf den letzten Augenblick streng abgewehrt.

Es ist begreiflich, daß das überall allmächtige Gold auch an diesen Orten der Verwünschung sich manches verschaffen kann, was der ärmere Reisende entbehren muß. Selbst Bücher leiht der Kerkermeister gegen schweres Geld, um die unerträgliche Langeweile zu tödten: – sie werden in einer am Ende einer Stange befestigten Büchse überbracht und bei der Zurücknahme dem Essigbade unterworfen. Im letzten Stadium der Contumaz ist wohl auch etwas mehr Freiheit und ein Spaziergang in einem erweiterten Bezirke erlaubt. – Für die Grenzbewohner ist natürlich ohnehin die Contumaz einfacher und kürzer. Gewöhnlich wird Alles, was den Tag über von Bauern die