Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band | |
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Hat auf Regenten und Staaten die Natur gerechnet? Gewiß nicht! sondern auf das Wohlergehen der Menschen in ihren Reichen. Der höchste Regent bleibt den Naturgesetzen des Menschengeschlechts so gut unterworfen, als der Geringste. Sein Stand legt jenem die Verpflichtung auf, ein getreuer Haushalter dieser Naturgesetze zu seyn, und seine Macht, die er nur durch andere Menschen hat, auch nur zum Wohle derselben zu gebrauchen.
In der Geschichte schlechter und verwahrloster Fürsten erschöpfen sich alle Thorheiten und Laster unsers Geschlechts. Was geschehen kann, geschieht, und Wunder geschehen nicht, um einen Mißbrauch der Macht, wäre es auch der ausschweifendste, zu hindern. Aber ein anderes Naturgesetz, welches für jede Wirkung eine gegenseitige hervor ruft, das Gesetz der Wiedervergeltung, macht, daß das Böse, welches Andere verdirbt, zuletzt immer selbst verderbe. Zwar büßen schlechte Fürsten Frevel und Unvernunft öfters später, als sie der schlechte, gemeine Bürger büßt; weil jene immer nur mit dem Ganzen Rechnung halten, in welcher das Elend und der Jammer der Einzelnen lange unterdrückt und unterschlagen werden können; aber früher oder später rächt es sich doch, und wenn nicht immer an der Person des übelthuenden Fürsten selbst, doch an seinen Nachfolgern und am Staate mit desto gefährlicherem Sturze.
Für diese Wahrheiten liefern die Regentenleben Belege in allen Zeiten. Die stärksten vielleicht das Leben Philipp’s des Zweiten. Niemals waren die Verbrechen und Irrthümer eines Monarchen furchtbarer in ihren Wirkungen, niemals ist auch schrecklicher und dauernder die Vergeltung gewesen. Philipp war ausgestattet von der Natur mit einem umfassenden Geiste, arbeitseifrig, freigebig, im Besitz der größten irdischen Macht; doch der schrecklichste, durch einen grenzenlosen Ehrgeiz, Starrsinn, finstern Aberglauben und die tiefste Menschen- und Rechtsverachtung genährter Mißbrauch dieser Macht verkehrte die Periode seiner Herrschaft zu der unheilvollsten, die je ein Reich gehabt hat. Durch die Verwüstung der Hülfsquellen der ihm anvertrauten Länder erreichte er nichts, als das Heraufbeschwören der Rachegeister, welche seit drittehalb Jahrhunderten über sein Geschlecht und Spanien die Geißel der Wiedervergeltung schwingen. Ihn selbst zwangen sie, auszuleeren den Kelch des tiefsten Menschenelends. Schrecken und Furcht waren die Elemente seines Daseyns, und der Gewaltige, welcher die Giftmischerei als Handwerk trieb und Banditen zum Zeitvertreib dang, zitterte vor Gift und Dolch noch auf dem
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam und New York 1837, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_4._Band_1837.djvu/223&oldid=- (Version vom 8.10.2024)