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CLXXVIII. Burg Landeck im Innthale
in Tyrol.




Sind die Naturscenen der Schweiz groß, erhaben, allbewundert, so sind es nicht minder die Schönheiten unsers viel größern deutschen Alpenlandes, denen, im Vergleich zu jenen, der Vorzug weit größerer Mannichfaltigkeit nicht abgestritten werden kann. Ein Thal aus dem Voralberg, ein Thal aus der breiten Centralkette Tyrols, oder aus jener Steyermarks, eine Gegend um Klagenfurt, um Botzen, um Idria; aus dem Fassa-, oder aus dem Pusterthale: wie himmelweit sind die Hauptzüge dieser Gegenden von einander verschieden! Bald die Hochgebirgsgemälde der Kalkalpen mit ihren öden, 7–8000 Fuß hohen, rissigen und ausgehöhlten Hochflächen; bald bis an ihre Gipfel mit saftiggrünen Matten bedeckte Bergspitzen, Schneefelder auf dem braunen Fels des Urgebirgs; bald die Eisgefilde, Eismeere, in allen ihren Formen: als Hochfirnen, Gletscherebenen, Gletscherstufen und Gletscherstürze; Eisberge, Eishörner, Eisnadeln, Eiskegel und Riffe; die Thal-, Strom- und Seegebilde von allen Abstufungen: Thalengen und Weitungen; Thalstürze und Ebenen; da ein weiter Seespiegel im Hügelland, nur in der Ferne von den Hochalpen begrenzt; dort ein reizender Seebusen, azurblau und von hohen Marmorwänden umschlossen; dort ein Hochsee, schon in der Wolkenregion schwebend und nur von dem grau-grünen Kranze zackigter Hochgipfel noch eingefaßt und getragen.

Jede Gegend der deutschen Alpen hat des Eigenthümlich-Schönen so Vieles, daß es gewissermaßen ungerecht wäre, eine einzige als die vorzüglichste zu bezeichnen. Mancher setzt die Szenerien des üppig-wilden Etschthals Allem voran; Mancher reicht den Naturgemälden des Salzathals den Preis; Mancher erkor die Gegenden der Drau und der Ens zu seinen Lieblingen: die meisten Meinungen für die größern Vorzüglichkeiten möchte indeß immer das Innthal für sich vereinigen, das in seiner 50stündigen Länge dem Wanderer einen wirklich unendlichen Reichthum von Naturschönheiten, von den lieblichsten an bis zu den grauenhaftesten und grandiosesten, darbietet. Kein Gebirge hat einen Strom aufzuweisen, wie diesen mächtigern Alpenstrom, der seine grünlich weißen Wogen bald durch weites, tiefes Thal treibt, belebt von Städten und volkreichen Flecken, bald durch wild-schauerliche Engen fortwälzt, während ihm vom plötzlichen Abbruch eines Hochthals der mächtige Giesbach