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untersagt. Eigenthümliche, sich von den römisch-katholischen scharf sondernde Lehrsätze der griechischen Kirche sind: 1) daß sich die Weltgeistlichen, bis zum Bischof herauf, der, wie alle andern Großwürdenträger der Kirche, nur aus der Klasse der Klostergeistlichen wählbar ist, mit einer Jungfrau verehelichen müssen; 2) daß der heil. Geist nur vom Vater ausgehe; 3) daß es keinen Mittelzustand zwischen der ewigen Seligkeit und der ewigen Verdammniß nach dem Tode gebe, ein Fegefeuer also nicht anzunehmen sey. Ferner duldet sie keine geschnitzten oder erhaben ausgehauenen Bilder (Statuen von Heiligen, Kruzifixe etc. etc.), keine Ehen zwischen geistlichen Verwandten (Gevattern und Pathen), schreibt den Genuß des Abendmahls in der Form von in Wein geweichtem Brode, das der Priester mit dem Löffel reicht, vor, und hält die Firmelung (Salbung mit heil. Oel) schon bei Kindern innerhalb 8 Tagen nach der Geburt, sogleich nach der Taufe, für nöthig, „weil die ewige Seligkeit sonst nicht zu erlangen sey.“ Das Amt eines Stellvertreters Christi auf Erden leugnet sie ab. – Die Patriarchen zu Constantinopel, Alexandrien, Jerusalem und Antiochien stehen unter sich in gleichem Range. Das Moskauer Patriarchat hob Peter der Große nach Adrians Tode auf, indem er unter die zur neuen Wahl versammelten Bischöfe trat mit den Worten: Ich bin euer Patriarch! Seitdem sind die kirchlichen Angelegenheiten des russischen Reichs einer Art von Consistorium, einem Collegium von Bischöfen und weltlichen Räthen, unterworfen, das in Petersburg seinen Siz hat und auf dessen Beschlüsse der Kaiser stets großen Einfluß übt. Die höchsten kirchlichen Würden in Rußland sind die der Metropolitane, – in Petersburg, Moskau, Kiew und Kasan. Es giebt eilf Erzbischöfe (deren Würde blos der Kaiser verleihen kann) und neunzehn Bischöfe. Die ganze übrige Geistlichkeit besteht aus Mönchen (in etwa 500 Klöstern, meistens dem Basilius-Orden zugehörend) und Popen, welche die Pfarramter u. s. w. versehen. Nur jene sind im Besitze von einiger gelehrten Bildung, und werden noch zu den höhern Ständen gezählt. Letztere hingegen gehören ausschließlich dem gemeinen Volke an, und an ein Aufrücken derselben zu wichtigern Stellen ist nie zu denken. Selten findet man unter ihnen einen Mann, dessen Kenntnisse etwas weiter gehen, als auf das Verstehen seiner Muttersprache, Lesen und Schreiben. Der Pope braucht auch kein höheres Wissen, denn der griechische Gottesdienst beschränkt sich auf Messelesen, Ceremonien und äußeres Gepränge, welches das Auge der Menge blendet und ihr nichts zu denken übrig läßt. – Predigen und Katechisiren ist selten, und beides dem gemeinen Manne gegenüber vorschriftlich so, daß dieser für Erhebung oder Bildung des Geistes nichts daraus gewinnen kann. Zu verschiedenen Zeiten war das Predigen, aus Furcht, dadurch die Denkkraft der Massen anzuregen, sogar verboten. Für den Kirchengesang, beschränkt auf einige Hymnen und Psalmen, welche eine bestimmte Anzahl von Choristen vortragen, kennt man Gesangbücher für die Gemeinde nicht, und Instrumentalmusik ist vom griechischen Gottesdienste verbannt. – Außer den russischen Metropoliten hat nur der Patriarch von Constantinopel einen bedeutenden Wirkungskreis; die übrigen drei (da sich in ihren Sprengeln die Masse zum Mohamedismus