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Versuche, durch Conzilien eine Aussöhnung zu bewirken, blieben ohne Erfolg. Die katholische Kirche entfernte sich im Laufe der Jahrhunderte, unter dem Einflusse der scholastischen Philosophie, immer mehr und mehr von der griechischen, welche ihrerseits bei den von Johannes dem Damascener schon im 8ten Jahrhundert geordneten Lehrbegriffen und ihrer alten Kirchenverfassung unverrückt stehen blieb. Am weitesten wurde die Spaltung unter Gregor dem Siebenten, und nach der Eroberung von Constantinopel durch die Türken (1453), welche dem griechischen Reiche ein Ende machten, war auch jede weltliche Macht verschwunden, die ein wirksames Interesse zur Wiedervereinigung hätte haben können. Die Bemühungen Roms, die morgenländische Kirche unter seine Botmäßigkeit zu bringen, mußten sich fortan auf jene einzelnen Gemeinden beschränken, welche sich in Italien, Polen, Ungarn und Gallizien befanden, die nämlichen, welche jetzt der Name „unirte Griechen“ bezeichnet.

Die Unterjochung aller Länder des römischen Ostreichs durch die Araber und später durch die Türken, welche beide die Lehre Mohameds den beknechteten Nationen mit dem Schwerte in der Hand aufdrangen, raubte der griechischen Kirche Fünfsechstel seiner Bekenner. Doch wurde dieser Verlust wieder ausgeglichen durch den Zuwachs, den sie durch den Uebertritt vieler slavischer Völker zur Christuslehre erhielt. Wladimir der Heilige (988) nöthigte die Russen zur Annahme des griechischen Kultus, der von dieser Zeit an zugleich mit der russischen Macht immer größere Ausbreitung im Norden Europa’s, und an jener seine Hauptstütze bekam. Die Kirchenreformation in dem Abendlande blieb im Osten nicht ganz ohne Anklang; der Patriarch Laskaris in Constantinopel, ein edler und freisinniger Mann, hatte Luther’s Grundsätze liebgewonnen; aber er büßte den Versuch, den griechischen Kultus zu verbessern, mit dem Leben (1629). An der Spitze der Altgläubigen stand der Metropolit in Kiew. Mogilas war im Rufe der Heiligkeit und umfassendsten Gelehrsamkeit. Er gab ein „orthodoxes Glaubensbekenntniß der katholisch-apostolischen Kirche Christi,“ in der Absicht heraus, den Ansichten der vornehmsten Häupter der Kirche einen Vereinigungspunkt zu bieten, und um das Schwankende in jenen zu entfernen. Er erreichte seinen Zweck. Das Glaubensbekenntniß wurde von sämmtlichen Patriarchen der griechischen Kirche (1643) unterzeichnet und 1672 auf dem berühmten, allgemeinen Conzil zu Jerusalem bestätigt und für das einzig-gültige, symbolische Buch der griechischen Kirche auf alle Zeiten erklärt.

Nach demselben bekennt die griechische Kirche, ähnlich der katholischen, eine doppelte Quelle des Glaubens, Bibel und Tradition, unter welcher letzteren sie solche Lehren versteht, welche die Apostel blos mündlich vorgetragen, die Kirchenväter aufgezeichnet haben und Johann von Damask gesammelt hat.

Die Beschlüsse späterer Kirchenversammlungen haben für sie keine Kraft, und sie spricht den Synoden und Conzilien ausdrücklich und für ewige Zeiten die Macht ab, irgend etwas an den Lehrsätzen zu ändern, oder ihnen neue hinzuzufügen. Jedem Gläubigen ist Forschen und Deuteln ohnehin bei Verlust der ewigen Seligkeit