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und Elend, erinnert doch noch manches Denkmal und manche Einrichtung an seine Glanzzeit, an jene Zeit, zu welcher in der Stadt der Kaliphen Gelehrsamkeit, Künste und Wissenschaften gepflegt wurden und blüheten, während die Nacht der Barbarei und Unwissenheit auf dem christlichen Europa lag.

In der Fernsicht ist Cordova immer noch herrlich, und der Lage nach, im schönsten Thale Andalusiens, hingestreckt am Kühlung athmenden, klaren Guadalquivir, rückwärts geschützt von der Sierra, welche ihre romantischen Szenerien bis nahe an die Thore rückt, ist es beneidenswerth. Seine schöne Lage ist jedoch auch das Einzige, was ihm die Zeit unverkümmert ließ. Mohamed’s Volk, dem 2 Welttheile einst zu enge gewesen, und das von seinem Throne in Cordova über Europa zu herrschen sich vornahm, ist zurück gebannt in die heimathlichen Wüsten, wo Europa jezt das Vergeltungsrecht ausübt. Andern Herren gehorcht die Erde; die Wissenschaften und Künste haben andere Asyle gesucht; Reichthum und Ruhm, Herrschaft und Staatskunst dienen einem andern Glauben, und das heutige Cordova, das christliche, an Umfang eine der größten, ist zu einer der verfallendsten und ödesten Städte des spanischen Landes herabgesunken.

Schon in ihrer nächsten Umgebung verschwindet der poetische Zauber der Fernsicht, und man bekömmt eine traurige Vorstellung von Dem, was ihr Inneres zu schauen gibt. Eine wunderliche, unheimliche Mischung wilder und halbkultivirter Natur macht sich überall bemerklich, und elende, neuere Hütten neben großartigen, alterthümlichen Ruinen liegen wie Bettler an den Pforten verlassener Palläste.

Imposant ist die südliche Einfahrt, am Kay hin. Wie schön der Hafen, ein weites, im Halbzirkel gebautes Bassin, groß genug, um 80 Schiffe fassen zu können, ein Werk, das uns mit einem Blick sagt, daß Cordova einst auch als Handelsstadt bedeutend gewesen! Jetzt ist die größere Hälfte ausgefüllt mit Koth und Schlamm, und die andere ist nutzlos: denn selten wiegt sich eine armselige Barke auf dem Busen des Guadalquivir. Der Kay, der sich bis zur thurmgepanzerten, altmaurischen Brücke fortsetzt, hat schöne Visten über Strom und Thal hin zu den blauen Fernen der Sierra. Dunkel schattende Alleen zierten sonst diese Promenade, und eine Menge Springbrunnen erfrischten die Luft; aber jene sind längst verschwunden und diese sind wasserleer und verfallen. Statt des Wogens einer unzählbaren und reichen Bevölkerung sieht man hier selten Menschen: etwa angelnde Müssiggänger und ein paar schlafende Bettler.

Vom Kay aus überblickt man einen großen Theil der Stadt, die sich als ein Chaos von Gebäuden darstellt. Ein paar noble Thürme strecken ihre Häupter heraus; entschiedener als diese aber fesselt ein großes Viereck die Aufmerksamkeit. Ehrfurchtgebietend ragt es hervor, und aus seinem Mauergürtel steigen ein Dom und ein schlanker Glockenthurm auf. Dieß unermeßliche Gebäude ist die Moschee des Abdorrahman.