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er, dessen Ahnen einst mit der Miene der Herrscher als Haupt der Republik zu Rathe saßen, dient jetzt gehorsam dem Staate, als wäre jene Zeit nicht gewesen, die ihn turnierfähig machte.

Durch ein Labyrinth sich windender und kreuzender Straßen gelangen wir zum Markte. Hier halten uns die Stände der Gärtner und Landleute auf, letztere ein kernichter Menschenschlag, dessen malerische Tracht mit der reinlichen, netten der Nürnberger Bürgermädchen und Dienstmägde angenehm absticht. Dort und auf dem Trödel- und Fischmarkte ist es, wo der derbe Nürnberger Volkswitz sich in voller Freiheit übt, und ein Campe oder Adelung fänden da an eigenthümlichen Redensarten und Schimpfwörtern gewiß eine unerschöpfliche Ausbeute.

„Nürnberger Witz und Tand
Sind durch die Welt bekannt,“

ist ein altes Sprüchwort, und manche unserer Leser erinnern sich wohl noch der Nürnberger Schimpfe, einer Art Bilderbögen, auf welchen der hiesige Hall-Damenwitz mit einem Anfluge Hogarth’schen Geistes veranschaulicht war.

Dem bunten Menschengewimmel entronnen, ruht der Blick mit Bewunderung an dem schönsten Denkmale aus Nürnbergs großer, üppiger Zeit – auf dem schönen Brunnen, der das eine Ende des Marktplatzes ziert. Wie von Filagrinarbeit steigt dieß unbegreifliche Werk der Steinmetzenkunst, in gothischer schlanker Thurmgestalt an hundert Fuß hoch auf, unzählig sind die in den Verzweigungen angebrachten Statuen von Königen, Helden, Gottesstreitern u. s. w., und alle von der kostbarsten Arbeit. Von da eilen wir in die von Dürers unsterblichem Pinsel verzierten Säle des Rathhauses, wandern durch die herrlichen Kirchen zu unserer lieben Frauen, von Sankt Sebaldus und St. Lorenz, wo uns die Werke Peter Vischers bezaubern, des größten deutschen Erzgießers, und Adam Kraft’s, des Bildhauers, von dem man sagte, daß er die Kunst verstanden, die Steine weich zu machen und in Formen zu drücken. Von da zum Hause Dürer’s, zu seinem neuerrichteten Denkmal und zum Grabe des großen Meisters, auf den Johanneskirchhof, wo die Freundschaft gerechtes Lob in Erz grub. Und nun bergan zur Burg! Kühn und ehrfurchtgebietend thront sie auf dem Scheitel eines Sandsteinfelsens, der steil aus der Ebene emporsteigt, und überragt mit ihren mächtigen Thürmen die übrigen Gebäude der Stadt, wie ein Riese ein Heer von Zwergen. Wunderlich schön, ja fast phantastisch, schauen diese steinernen Colosse, die mit den Felsen zusammengewachsen scheinen, herab, Zeugen vergangener Jahrtausende und von hundert verschwundenen Geschlechtern. Vergeblich rüttelte an ihnen die Hand der Zeit und siegreich trotzten sie den Stürmen des Kriegs: denn Nürnbergs Schloß ist niemals erobert worden, auch dann nicht, wenn die Stadt in die Gewalt der Feinde fiel und, wie einst geschah, die Brandfackel sie gänzlich verzehrte.

Auf dieser Burg haußten die Kaiser des Reichs gar häufig, und Manches in derselben deutet noch auf die Herrlichkeit der alten Zeit. Sehr merkwürdig ist sie auch als Wiege der Größe des Hauses Hohenzollern, das, als es vom Kaiser im Jahre 1210 zur erblichen Würde eines Burggrafen von Nürnberg erhoben wurde, hier seinen