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Lebendigen, und wir haben es gesehen, daß die Nachwelt zu den Erbbegräbnissen der Märtyrer, Richtplatz und Kerker, andächtig pilgert wie zu den Schreinen der Heiliggesprochenen, oder zu einem wunderthätigen Bilde der Mutter Gottes.

Ein solches Mariazell für die Freunde der Menschheit und der Wahrheit ist dieses wogenumgürtete Haus, welches, der uralten Pfalz in unserm Rheine gleich, auf einem Felsen im Genfersee fußt. Chateau-Chillon liegt malerisch am östlichen Ende des Sees, zwischen Villeneuve und jenem Clarens, das Rousseaus Feder in der „neuen Heloise“ verewigte. Die Gründung des Schlosses geht auf die Römerzeit zurück. Durch seine Lage fest und strategisch wichtig, wurde es zu allen Zeiten sorgfältig erhalten, und wenn, wie bisweilen geschah, Krieg und Brand den vergänglichen Oberbau zerstörten, dieser doch immer wieder erneuert. Die untern Räume sind großentheils aus dem lebendigen Felsen gehauen und von unverwüstlicher Festigkeit; an ihnen gingen die Zerstörungswetter der Zeit und der Menschen stets ohnmächtig vorüber. Die Republik Waadt, der das Schloß jetzt gehört, gab es Invaliden zur Wohnung. Aus seinen Fenstern hat man entzückende Aussichten: hohe und herrliche auf die Savoyschen Schneegebirge über den See hin und auf die waldbewachsenen Felsen der Meillerie.

Die weltberüchtigten Kerker und Marterkammern, in welchen die ersten Kirchenreformatoren zu Hussischer Zeit ihr Leben verseufzeten, oder den Tod für die Wahrheit starben, befinden sich in den Souterrains, tief unter dem Wasserspiegel des Sees; denn immerwährende Feuchtigkeit, Kälte und Moder, die das spärliche Strohlager des Gefangenen bald zum Misthaufen verwandelten, sollten seine Qualen mehren und seine Auflösung beschleunigen. Es sind kellerartige, von Pfeilern getragene, hohe Gewölbe. Oben, nahe an der Decke, über der Fläche des Wassers, befindet sich eine handbreite Spalte in der 10 Fuß dicken Mauer, durch welche ein schmaler Lichtstreifen fällt, gerade hinlänglich, um den Eingekerkerten das Schauerliche seines Aufenthalts erkennen zu lassen und in ihm die Sehnsucht nach dem Anblick der Sonne neu zu erwecken an jedem Morgen. Der Boden ist natürlicher Fels. Schwere eiserne Ringe in den Pfeilern trugen die Ketten, an welche die Gefangenen geschmiedet waren, und mit Schaudern sieht man tief ausgetretene, kaum 6 Fuß lange Pfade, eingegraben dem harten Fels durch jahrelanges Hin- und Herwandern von den nackten Füßen der Gefesselten. Was für Seufzer, was für Jammertöne des Schmerzes mögen durch diese Gewölbe gezittert haben, wie viel Thränen geträufelt seyn auf diesen Boden! Und welche Gebete wurden hier gestammelt, und welche Andacht hier gehalten vor dem allgegenwärtigen, alltröstenden Gott! Ein eisenbeschlagener Balken, welcher zwischen zwei Pfeilern befestigt ist, diente dem Henker als Galgen bei heimlichen Hinrichtungen. Wie Mancher schaute wohl hier, wo das Leben größere Schrecken hatte, als der Tod, zu diesem Werkzeuge auf, sehnsüchtig, wie zu einem Kreuze der Erlösung.

Sie haben längst ausgelitten alle die Dulder um eine errungene Freiheit, die Zeit hat ihren Staub mit dem ihrer Verfolger gemengt und beider ist längst in alle Winde verweht. Aber das verfolgte Wort hat an glücklichern Streitern seine Erben gefunden und seit Jahrhunderten leuchtet’s, den Erdengewaltigen unantastbar,