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CLXIX. Der Königsstein und der Lilienstein bei Dresden
in der sächsischen Schweiz.




Die Natur zeugt und gebiert stumm an jedem Tage neue Welten; aber wie Geburten und Wiedergeburten der Völker gemeiniglich ein Sturm begleitet und ihnen Mars als Wehemutter dient, so hat auch die Natur ihre Zeuge- und Wehetage, wo sie laut wird; die Tage, da sie die Erdvesten ausbessert, oder neugestaltet, und bevor sie schaffen kann, erst zertrümmern muß.

Von einem solchen Kampftage, an dem sie die Elemente gegen einander in den Streit führte, trägt das Sandsteingebirge, welches von Pirna aus zu beiden Seiten der Elbe hinauf sich majestätisch emporhebt bis zur Pforte Böhmens, die es einst schloß, die sichtbaren Zeichen: unzählige Narben und Wunden. Zerrissen, zermalmt und zerspalten, wie es ist, könnte man es einem Schlachtfelde vergleichen, oder der ungeheuern Brandstätte einer Stadt von Pallästen und Tempeln, die bei aller Verworrenheit und Zertrümmerung noch den Stempel der Pracht und Erhabenheit an sich tragen. Oft auch glaubt man sich zwischen die Mauern eines Irrgartens versetzt, von Giganten zusammengethürmt, und Giganten würden sich darin verlieren, wenn alle die hin- und herlaufenden Einschnitte, die Schluchten und Thäler, in welche das Gebirge zerklüftet ist, durch Quereinschnitte wieder verbunden wären, so daß man unmittelbar in der Tiefe aus einem in’s andere gelangen könnte.

Aus dieser Bergtrümmerwelt, die der gemeinschaftliche Name „die Sächsische Schweiz“ zusammenfaßt, ragen die Felskolosse: der Königsstein und der Lilienstein, gleichsam wie Feldherren über ein verworren durcheinander stehendes Heer. Vier Stunden von Dresden, nahe bei Pirna, stromaufwärts, erheben sie sich aus dem weitesten, prächtigsten Thale, das die Elbe durchwogt, einander gegenüber und fast 2000 Fuß hoch. Ihre Form ist die eines Zuckerhuts mit abgeschlagener Spitze. Auf dem Königsstein, der das linke Elbufer bewacht, prangt das Wunderwerk der Festung Königsstein, zu derem Fuße, unten am Bergrand, das Städtchen gleichen Namens liegt, armselig, wie ein Schwarm schlechter Sperlinge, über welche ein Adler in den Lüften kreist. Der Bau jener Bergfestung, deren Unüberwindlichkeit sonst sprüchwörtlich war, und welche, so lange als der Besatzung Muth und Proviant nicht ausgehen, nicht bestritten werden mag, begann gegen Ende des 16ten Jahrhunderts und er währte bis zum Jahre 1731, freilich nicht ohne Unterbrechung, fort. Unermeßliche Summen hat er gekostet, mehr, sagt man, als das ganze Sachsenland reich sey.