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selbst bewundern, ja sogar beneiden um Vieles; nur aber den thörichten Wahn nicht hegen, auf europäischem Boden Gleiches pflanzen zu können mit glücklichem Erfolge! Eine andere Parthei, diese von weit dunklerer Farbe, war unermüdlich im Streben, die Meinung Europa’s über nordamerikanische Zustände dadurch zu modifizieren, daß sie fort und fort die Ausnahmen zur Regel erhob und neben das Licht, das einmal nicht zu leugnen war, so tiefe Schatten stellte, daß ein Abenddämmerungs-Sein daneben ganz behaglich erscheinen mochte. Diese Partei legte am liebsten ihre Ansichten in den Spalten censurirter Tagblätter aus; denn auf die Massenzu wirken, deren Begriffe zu verfälschen, war ihre Absicht und ihr – Beruf. Keine Partei hatte es bequemer; denn sie pflügte ihren Acker als Monopol und eine Kontroverse, die sie bald zum Schweigen gebracht hätte, war in solcher Arena nicht möglich, folglich auch nicht zu fürchten. Noch viele andere, theils dunklere, theils hellere Parteischattirungen stellten mit mehr oder minderer Offenheit ihre Untersuchungen zur Schau. Divergenz in den Meinungen konnte nicht mannichfaltiger seyn als die über diese Fragen; aber sie hatte das Gute, allgemeines Interesse dafür zu erschaffen und jeden denkenden Menschen zu einem tiefen und selbstständigen Eindringen in die Grundursachen jenes Gedeihens aufzufordern, wovon der Westen ein so unerhörtes, nie geahnetes Schauspiel darbot.

Diese allgemeineren Untersuchungen führten bei der Mehrzahl zur Ueberzeugung, daß zwar in den Naturschätzen Nordamerikas, in der großen Fruchtbarkeit seines jungfräulichen Bodens, in seinem unerschöpflichen Metall-, besonders aber in seinem Steinkohlenreichthum, und in der Fülle seiner natürlichen der Kunst vorarbeitenden Wasserkommunikationen, in seiner geographischen Lage endlich, welche ihm zwischen allen Weltzuckungen ein glückliches Neutralitätssystem zu verfolgen gönnt, ein Hebel seines Glückes zu suchen sey: daß aber Ursachen nicht materieller Art doch einen weit größern Theil daran haben, als jene.

Vor allen andern erkannte man als eine solche seine Verfassung. Ihr verdankt Nordamerika den freiesten Spielraum jeder, nicht zur Mißachtung fremder Eigenthumsrechte ausartenden Privatthätigkeit in den Gebieten der Industrie wie des Handels, der Kunst wie der Wissenschaft. Nach dem Maaße seiner Kräfte und Mittel bewegt jeder Amerikaner sich in selbstgewählter Richtung; nirgends stößt er aufeine „väterliche“ Präventionspolizei und Bevormundung, nirgends auf hemmende Einflüsse feudalistischer Interessen, denen irgend eine Entwickelung zu schnell geht, oder staatskirchlicher, denen sie zu weit führt, oder monopolistischer, denen sie ihre Existenz bedrohend erscheint. Derb, kräftig , sehr regsam, voll Arbeitsmuth, eben weil er die Früchte seiner Arbeit nicht mit Andern, die keine Arbeit thun, zu theilen hat, aus verschiedenem Ursprung gemischt, gleichsam ein collectiver Sitz aller Haupteigenschaften der verschiedenen Nationen, bildet er diese Eigenschaften auf die für seine Zwecke und Verhältnisse angemessenste Weise aus und er bedient sich ihrer im freien Spielraum um so wirksamer, als derselbe nicht nur, dem Natur- wie dem positiven Rechte nach, unbeschränkt ist, sondern auch eine physische Gränze desselben in den ersten Jahrhunderten noch nicht gedacht werden kann. So arbeitet der Amerikaner unablässig, weil sicher, nicht um die Frucht