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CLXV. Dresden.




Vor undenklicher Zeit bildete Böhmens hochummauerter Kessel ein Binnenmeer, welches die zahlreichen Gewässer nährten, die den Wänden seines Berggürtels entströmten. Einst brach der Fluthen mächtiger Druck die vielleicht von unterirdischem Feuer gelockerte nördliche Scheidewand, und durch das also geöffnete Thor, die dahinter liegende Hügellandschaft mit unwiderstehlicher Wuth zerreißend, ergoß sich das entfesselte Element über die Schiefebene Norddeutschlands hinab zum Ocean. Aus dem See war Land geworden, und die Flüsse und Quellen der Bergwände, seiner ehemaligen Ufer, sammelten sich in Böhmens Thälern zum Strome, der in der Richtung, welche des Sees Gewässer genommen hatten, das Weltmeer suchte. So ist die Elbe entstanden, und so jene wild-romantische Gegend voller Schluchten und Felstrümmer an Böhmens Thor, die, als sächsische Schweiz, zum Ziele wird und zum Sammelplatze für so viele Reisende. Gleichsam am Eingange zu dieser berühmten Gegend (Mainz zu vergleichen, an der Pforte zum Rheingau) liegt, im Elbthale, zu beiden Seiten des Stromes, Dresden, des Sachsenlandes heitere Königsstadt.

Viele der Residenzen deutscher Fürsten sind neuern Ursprungs; so auch Dresden. Auf der Stelle der heutigen Neustadt stand im 13ten Jahrhundert ein Fischerdorf; auf dem jenseitigen Ufer reichte Urwald bis dicht an den Strom. Um 1290 erbaute sich Heinrich der Erlauchte, der Meißner Markgraf, an dieser Stelle ein Jagdschloß, und später machte er’s zu seiner bleibenden Wohnung. Er ward dadurch Dresdens Gründer; denn das fürstliche Hoflager lockte eine Menge Colonisten herbei; die meisten Einwohner des Dorfes jenseits zogen auch herüber, und bald war ein Flecken entstanden, wo jetzt die Altstadt steht, der so zunahm, daß zu Ende des 14ten Jahrhunderts Dresden schon eine ansehnliche Stadt hieß.

Um diese Zeit hatten sich Bevölkerung und Kultur ganz auf das linke Ufer gezogen; das rechte war öde und wurde von den Fürsten als Jagdrevier benutzt. Unter Albrecht dem Einäugigen ward zuerst wieder, durch Gründung eines Klosters, mit dem Anbau desselben begonnen; ein Flecken entstand, und Alt-Dresden, wie man den Ort nannte, bekam später städtisches Recht. Es blühete bis zum Einfall der Hussiten, die es gänzlich zerstörten. Späterer Wiederaufbau ließ es bis zum dreißigjährigen Krieg bedeutungslos.