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Die gleichzeitige Gründung so vieler der wissenschaftlichen Ausbildung gewidmeten Anstalten in dem Gebiete der Union, hat, in den letzten Jahren, bedeutenden europäischen Gelehrten es leicht gemacht, eine ihren Wünschen und ihrem Berufe angemessene Anstellung in den Vereinstaaten zu finden, was früher nie, oder doch sehr selten der Fall war. Das ist eine neue, höchst bedeutungsvolle Erscheinung. Sie vervollständigt den Cyklus derjenigen, welche sich an die Wanderung des Menschengeschlechts aus der Ost- in die Westwelt, mit Industrie und Handel, Gewerben, Künsten und Erfahrungen knüpfen. Was bleibt der alten Europa noch übrig, wenn ihr die schöne Amerika den letzten, strahlenden Juwel aus dem Diademe bricht, und die Coryphäen der Geister an ihren jugendlichen Busen zieht? Dann sind die Welttheilrollen wahrhaftig gewechselt! Amerika führt dann den Reigen, wird zum Mittelpunkte der Kultur, und Europa rückt an’s entgegengesetzte Ende. Dann aber bricht auch die Weltgeschichte ihr Haupttheater hierhüben ab, und ihre Helden wandeln auf der Bühne im Thale des Mississippi.




CLX. Trient.




Die große Straße, welche aus Deutschland durch Tyrol von Innsbruck über den Brenner nach Italien führt, ist der niedrigste unter allen Pässen über die Alpen. Sein Hochpunkt liegt nur 4700 Fuß über dem Meere. Er ist zugleich einer der bequemsten und unterhaltendsten Wege, und unter allen, die aus dem Norden nach der Halbinsel führen, der schönste und sicherste. Maria Theresia erbauete ihn.

Von Innsbruck bis zur Scheidecke des Berges windet sich die Straße bald rechts, bald links, an der dem Innstrome tosend entgegenschäumenden Sill aufwärts. Auf dem Südabhange des Brenners bekommt der Reisende die noch tosender der Etsch zustürzende Eisak zur Begleiterin. Auch hier, wie auf allen Alpenpässen, bewährt sich die physikalisch-merkwürdige Beobachtung, daß alle von Osten gegen Westen hinstreichende Gebirgsketten auf der Südseite weit schroffer abfallen, als auf der Nordseite. Bei Brixen schon beginnen die Weinberge, und auf dem Botzener Friedhofe zeugen die ersten Cypressen von der Nähe des italischen Himmele. Feigen und Granatbäumchen dauern in den Gärten aus, und in den sonnigen Buchten der Felsenwände, die im Zickzack die Eisak bespült, wuchert freiwillig der Caktus Opuntia (die gemeine Fadeldistel), der heißesten Erdreviere Bewohnerin.