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wurde. Bei diesem Anlaß ging es in Flammen auf. Aus der Asche erhob es sich jedoch wieder und schöner, als es zuvor gewesen. Als Alexander nach der Schlacht am Granicus es einnahm, hatte Sardis über 300,000 Einwohner und es galt, nach Größe und Reichthum, als die dritte Stadt des persischen Reichs.

Von dem Umsturz des letztern datirt sich die Epoche seines Sinkens. Schon in den unruhigen Zeiten, welche auf Alexanders Tod folgten, litt es sehr. Mehrmals erobert und gebrandschatzt, versiegten aber die Quellen seines Reichthums immer mehr, als sich der Welthandel eine andere Bahn gebrochen hatte. Von Antiochus, dem letzten syrischen Könige, kam es (187 vor Chr.) unter das Römer-Joch. Ein fürchterliches Erdbeben, welches zur Zeit der Regierung des Tiber Kleinasien heimsuchte und viele Städte zerstörte, traf auch Sardis und verwandelte es in einen Schutthaufen. Der Kaiser sandte Legionen, es wieder aufbauen zu helfen und noch einmal umgürtete es sich mit Mauern, schmückte es sich mit Palästen, Tempeln und Rennbahnen aus.

Noch ein Jahrtausend länger, unter der Herrschaft der Byzantiner, bewahrte es einen Schatten seiner ehemaligen Herrlichkeit. Nachdem aber im 11. Jahrhunderte die Türken es erobert hatten, wanderte der größte Theil der christlichen Einwohner aus und es entvölkerte sich dergestalt, daß man die Heerden in die Höfe der Palläste, auf das Forum und in die Rennbahn zur Weide trieb. Tamerlan, der Verwüster Asiens, der Austilger des Menschengeschlechts, kam auch hierher. Was Odem hatte, wurde von ihm ermordet, die Stadt machte er der Erde gleich. – Niemals erhob sie sich wieder; jetzt bezeichnet eine Menge niedriger, mit Gras und Gestrüpp überwachsener Schutthügel, die, aus der Ferne gesehen, den Gräbern eines großen Friedhofs ähnlich sind, die Stätte, wo einst Sardis gestanden.

Die Aera derselben hat drei Stunden im Umkreise und bestätigt die Berichte der Alten von seiner früheren Größe. 16 bis 20 Fuß hoch ist auf diesem weiten Raume Alles Schuttboden, und oft berührt des Wandrers Fuß die Kapitäler aufrechtstehender Säulen, oder Gesimse, welche sie tragen. Das einzige freistehende, noch übrige Monument seiner verschwundenen Pracht sind 2 kolossale, 21 Fuß im Durchmesser habende Säulen von blendend weißem Marmor, die Ueberreste des berühmten Tempels der Cybele, welcher auf einem 30 Fuß hohen Sockel erbaut war. Letzterer ist im Schutt verborgen; aber die Riesenkolonnen stehen herrlich da und schauen wie hehre Geister über die Grabgefilde ihrer verschwundenen Stadt.

Ein paar niedrige Lehmhütten, die kaum das Auge bemerkt, machen einen Weiler aus, das türkische Sart, das Sardis der Gegenwart! Die Hirten, welche sie bewohnen, sind auf Meilen im Umkreise die gesammte menschliche Bevölkerung. Auch der Anbau des Landes ist verschwunden bis auf die letzte Spur und alles weit umher ist schweigsame, schauerliche Wüste.