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Säulen getragen; er führte durch eine 50 Fuß hohe Flügelthüre von Erz in die Cella, einen länglich-viereckigen Gottessaal, mit kunstvollen Sculpturen prachtvoll ausgeziert. Sein Licht erhielt er durch die Decke, welche jetzt eingestürzt ist. Auch dieser Tempel ist über 6000 Jahre alt und von Busiris II. gebaut worden.

Wir aber schließen unsere dürftige Beschreibung mit den für unsere aufgeblähete Zeit passenden Worten Bossuets: „Die Ruinen der uralten Thebais scheinen nur deswegen noch vorhanden, um die Eitelkeit der Jetztwelt lächerlich zu machen, und den Ruhm ihrer größten Werke zu verdunkeln.“ –




CIV. Das heilige Grab.




Die Urzeit des Christenthums schenkte den Erinnerungsorten der Leiden des Heilandes keine, oder nur verborgene Aufmerksamkeit. Erst als die Anfangs einfachen und stillen Ceremonien der Christen öffentlich und feierlich, als die Opfergaben reicher und häufiger, die Kirchengebräuche methodischer wurden, als die anspruchlosen Versammlungsorte sich in geschmückte Kapellen und Tempel verwandelten; als man Kirchendiener zur Verwaltung ernannte und ordentliche Priester und Oberpriester einsetzte; als die einfachen Lehren des Weisen von Nazareth auf den Trümmern des Heidenthums im römischen Weltreiche zur Staatsreligion erhoben wurden und die Politik sich mit ihr verband: erst dann, zur Zeit Constantin’s, dachte der fromme Eifer daran, das Andenken an den Erlöser durch die Weihung der Orte, wo er gelebt und gewirkt hatte, zu ehren. – Die Kaiserin Helena bewies sich, wie wir schon bei einer frühern Gelegenheit erwähnt haben, in frommen Werken dieser Art besonders thätig. Golgatha, der Leidenshügel, und die Felsgruft an seinem Fuße, in der man den Leib des Herrn nach der Kreuzigung verbarg, die Cisterne endlich, in der der Fürstin bereitwilliger Glaube sie das wahre Kreuz finden ließ – wurden auf ihren Befehl mit Kirchen überbaut, prächtig ausgestattet und mit Priestern wohl versorgt. Bald verwandelten sich nun diese Orte zum Ziel unzähliger Pilgerfahrten aus allen Ländern der Christenheit. In spätern Jahrhunderten vereinigte man die genannten 3 Kirchen durch Anbauten, und diese Einrichtung ist, unter allen Wechseln der Herrschaft und des Schicksals, nach vielfachen Zerstörungen, welche Zufall und Fanatismus herbeiführten, geblieben bis auf den heutigen Tag.

Das Innere der eigentlichen Kirche des heiligen Grabes besteht in einer großen Rotunda, welche oben in einem zur Zulassung des Lichts durchbrochenen Dom endigt. Unter der Mitte des letztern, ganz frei in der Rotunda,