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einmal eine christliche Kirche gewesen ist, beweisen mehre Skulpturen, woran die Figuren der Isis und Osiris in christliche Heilige umgewandelt sind. Zuletzt diente die Anlage den Muselmännern zur Moschee, welche gleichfalls Spuren ihres Kultus zurückgelassen haben! –

Die innern Wände der Hallen und der Pylonen sind mit für den Geschichtforscher höchst wichtigen Bildwerken überzogen. Sie stellen die ruhmgekrönten Unternehmungen des Sesostris dar, seine Kriegszüge zu Wasser und zu Land. Der große König selbst erscheint immer kolossal und immer von Angesicht der nämliche: es ist also Portrait. An ihren Trachten erkennt man die Völker, mit denen er kämpfte: Indier, Perser, Aethiopier, Scythen und die Nationen der Wüste.

Also ist dieses Gebäude gleichsam das offene Buch der Geschichte. In einer allen Völkern gleich verständlichen Sprache bestätigen diese Bilder die Richtigkeit der Angaben der ältesten Geschichtschreiber, des Herodot und Diodor. Und wie lehrreich werden sie erst dann seyn, wenn wir die eingehauenen Erklärungsschriften, die Hieroglyphen, verstehen können! –

Hinter dem zweiten Pylon ist ein offner Raum mit Fragmenten großer Werkstücke bestreut; wahrscheinlich Ueberreste der eigentlichen Wohnung der Monarchen. Diese scheint mit Pulver gesprengt worden zu seyn, so vollkommen ist ihre Zerstörung.

Einige Tempel stehen in der Nähe. Sie können uns, da wir nur für die Beschreibung des Allermerkwürdigsten Raum haben, nicht weiter beschäftigen.

Eine Viertelstunde von Medinet-Abu liegt ein Akaziengehölz. Dieser Hain grünt auf der Stelle des berühmten Memnonium, welches, wie uns Strabo berichtet, eine der wundervollsten Anlage in der alten Welt gewesen war. Leider sind von diesem ältesten Gebäude Thebens selbst, außer tiefem Steinschutt, fast keine Spuren mehr anzutreffen; aber die aufgefundenen kolossalen Bildsäulen, so wie die Beschreibung Strabo’s, lassen über den Ort, wo es gestanden, keinen Zweifel übrig. Zuerst fallen, am Rande des Hains, zwei sitzende Kolosse auf, die man anfänglich mit ihren grasbewachsenen Schultern für Felsen ansieht, bis man mit tiefem Erstaunen die menschliche Form und sie als Werke der Kunst erkennt. Eine der beiden Statuen ist das berühmte Bild des Memnon, das mit dem von Hieroglyphen bedeckten Thron 60 Fuß Höhe hatte und aus einem einzigen Granitblock gehauen war. Cambyses stürzte es, nach der Eroberung Thebens, in vandalischem Uebermuthe herab und ließ es zerschlagen. Die Römer haben später, auf einer Unterlage von Sandstein, den verstümmelten Kopf wieder aufgerichtet. Das ursprüngliche Gewicht der Statue kann nicht weniger als 15000 Zentner betragen haben, und der Transport einer so ungeheuern Masse von dem entfernten Gebirge herab in die Ebene, ist selbst der heutigen Mechanik noch ein Räthsel. Der andere, gleichfalls verstümmelte Koloß besteht jetzt noch aus einem Block. Jene Statue des Memnon gab, nach Pausanias Beschreibung bei