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Uebereinstimmung in Denk- und Handelsweise für die Masse des brittischen Volks gewonnen ist und selbst die niedrigsten Klassen aufgeklärt sind über die Grundursachen von Glück und Unglück der Gesellschaft; erst seitdem politische Bildung dergestalt Gemeingut Aller geworden ist, daß ein Mensch, der nicht klare Begriffe habe über seine Stellung und über seine Rechte und Pflichten im Staate, zu den Ausnahmen gehört: erst seit dieser Zeit hat sich jenseits des Kanals die Idee von der Unhaltbarkeit vieler Rechte des Geburtsadels, gegenüber der fortgeschrittenen Civilisation, Eingang zu verschaffen gewußt, und es ist die Lehre aufgestellt worden: zeitiges, freiwilliges Aufgeben des Unhaltbarsten sey das wirksamste Mittel zur Bewahrung des Uebrigen. Den Männern, welche diese Lehre vertreten, gab die Julirevolution Bedeutung, die öffentliche Meinung hob sie auf die Stufen des Throns und reichte ihnen den Stab königlicher Macht; aber man würde sich sehr täuschen, wollte man daraus den Schluß ziehen, daß sie die Majorität ihres Standes repräsentiren. Ihre Anzahl ist nur klein und Englands Adel befindet sich in der That gegenwärtig in demselben Verhältniß, als der Frankreichs zehn Jahre vor der Revolution. – Politische Uebermacht und Mißbrauch der brutalsten Vasallenherrschaft, starrer Dünkel und Ahnenstolz, gehen dort drüben mit dem korrumpirenden Einflusse, den unbegränzter Reichthum einer Kaste, die schon Geburtsrang erhebt, überall verleiht, Hand in Hand. Wer sich überzeugen mag, daß das republikanische Prinzip nur in dem öffentlichen Leben der englischen Nation haftet, im geselligen Leben hingegen auch nicht eine Spur davon anzutreffen ist, der muß die geschlossenen Kreise beobachten, in denen sich das letztere bewegt. Er wird mit Erstaunen gewahr werden, welch eine unglaubliche Ausbildung der Kastengeist in diesem Volke erhalten hat, und wie von den obersten Ständen bis auf die niedern herab jede Nüance des Rangunterschiedes sich mit Eifersucht von einander abschließt. Will er aber recht inne werden die ungeheuere Entfernung, in welcher sich die hohe Aristokratie vom Volke zu halten versteht, so muß er sie auf ihren Landsitzen heimsuchen und sie beobachten in der Mitte einer Bevölkerung abhängiger, eigenthumsloser Pächter. – „Die englischen Könige,“ sagt ein neuerer, geistreicher Beobachter, „leben wie Privatleute; aber jeder Baron der immer grünen Insel führt das Leben eines Königs. Die Schlösser des Monarchen sind wie Edelmannswohnungen: aber die Landsitze der Peers sind Palläste, würdig die Residenzen der Kaiser zu seyn; und übersäet mit ihnen ist das Land, in dessen Grund und Boden Adel und Kirche sich theilen.“

Howard-Castle, Sitz des Seniors der Familie der Howard, welcher den Rang und Titel eines Grafen von Carlisle führt, ist eine der herrlichsten jener Villen, in denen die Hocharistokratie Britanniens ihre Prachtliebe und ihren Reichthum zur Schau auslegt. Schloß und Park, (der 7 Meilen im Umfang hat), ist das Werk eines Howards, der zu Anfang des 18. Jahrhunderts lebte. Berge und Thäler, Felsen, Seen und Wasserfälle, Grotten und Tempel, Pyramiden und Obelisken, Brücken und Viadukte, Ruinen von Kirchen und Burgen, alle das Werk der Kunst, zieren die Landschaft in reizender Abwechselung. Es wurde dies mit