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der Einwohner gemacht. Die Nahrungsquellen der Bürger sind das Almosenspenden der Klöster, der sich hier in großer Menge aufhaltende Landadel, Fischerei, Weinbau und etwas Küstenhandel. Ackerbau wird wenig getrieben; selbst nahe an der Stadt liegen die schönsten Gelände wüst, oder werden blos als Weide benutzt. Die Faulheit will nur da erndten, wo sie nicht zu arbeiten braucht. Ehemals hatte Syrakus mehr Einwohner, als jetzt die ganze Insel; Sicilien zählte mehr Städte über 100,000 Einwohner, als jetzt Frankreich und Deutschland zusammengenommen, und bei so dichter Bevölkerung schickte es noch Getreide nach Rom; es war das Magazin der Hauptstadt der alten Welt. Jetzt muß oft Getreide aus Egypten oder Odessa eingeführt werden, damit die wenigen Einwohner Brod essen können!

Der Hafen von Syrakus, der schönste auf dem Erdboden, der die Kriegsflotten ganz Europa’s fassen könnte, ist leer, zum Theil verschüttet. Außer einigen, Küstenhandel treibenden Felucken verirren sich Schiffe nur dann hierher, wenn sie Zuflucht vor den Stürmen suchen. – Das Sehenswürdigste in dem heutigen Städtchen ist der alte Minerventempel und die Arethuse. Aus jenem hat man die Cathedrale gemacht und die herrlichen Säulen halb vermauert; letztere, eine schöne, reiche Quelle mit seltsamen, häufigen Veränderungen ihres Wasserstandes, ist jetzt das Rendezvous der braunarmigen Syrakusanischen Wäscherinnen. – Ueberaus reich ist die Umgegend von Syrakus an Denkmälern des Alterthums. Landeinwärts ist stundenweit alles eine ungeheure Ruine. Kleine Weingärten grünen zwischen und auf den Trümmern, schwarze Felsen wechseln mit Steinhaufen, Schuttberge mit elenden Hütten. Von der Akropolis-Höhe übersieht man eines Blickes alle Theile der alten Stadt. Die Ringmauern der einzelnen Abtheilungen derselben unterscheiden sich deutlich, die Wasserleitungen, das in den Felsen gehauene griechische Amphitheater, das Forum und mehre Tempel, alle erstaunenswürdige Ueberbleibsel, treten kenntlich hervor. Man sieht die Latonien, die Steinbrüche, aus denen man das Material zum Stadtbau nahm, ungeheuer große und weite mit einander in Verbindung stehende Aushöhlungen, welche schon vor der Zeit des Dionys als Bewahrungsorte für die Kriegsgefangenen dienten. Hier ist auch das berüchtigte Ohr des ältern Dionys, eine akustisch ausgehauene Höhle. An den Wänden derselben bemerkt man noch die Löcher, in welchen die eisernen Ringe befestigt waren, an denen der Despot seine Opfer anschmieden oder in Ketten aufhängen ließ. Hoch oben ist ein kleines Gemach, in das eine geheime (jetzt noch sichtbare) Treppe führt; und dorthin ging der Tyrann, sich an den Klagen und Verwünschungen seiner Gefesselten zu ergötzen, oder ihre Gespräche zu behorchen. Die Katakomben, größer und geräumiger noch als die von Neapel und Rom, sind ein merkwürdiges Zeugniß für die einstige ungeheure Bevölkerung. Sehenswerth ist auch der Hafen des Agathokles, ganz aus köstlichem Marmor erbaut. Jetzt weiden Ziegen und Rinder auf seinen mit hohem Gras und Buschwerk überwachsenen Kayen.