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Muthe, und Archimedes ersann immer neue Mittel zur erfolgreichen Abwehr der täglichen Angriffe. So verstrichen mehre Monate, während welcher Carthago zweimal Entsatzheere schickte. Das erste rieb das Schwerdt, das andere die Pest gänzlich auf, und dies entschied den Fall von Syrakus. Epikydes, hoffnungslos geworden, entwich heimlich auf einem Nachen, und als dies ruchbar geworden unter der Besatzung, überließ sich diese den schrecklichsten Ausschweifungen. Viele Tausende der Syrakusaner Bürger fielen von den Waffen, welche sie vertheidigen sollten. In dieser Verwirrung bot Marcellus großmüthig den Frieden, versprach Schonung des Lebens und Eigenthums und ihre Aufnahme als Bundesgenossen der Römer. Vergebens. Die Wüthenden schickten die Gesandten höhnend zurück. – Nun stürmte Marcellus mit dem ganzen Heer. Achradina wurde nach verzweifeltem Widerstand genommen; darauf die Inselstadt, die sich mit gebrochnem Muthe vertheidigte. Was Waffen trug, fiel dem Schwerdt; alles Eigenthum der Plünderung anheim. Selbst Carthago gewährte so große Beute nicht! Die Flammen besiegelten das Werk der Verwüstung. Als Marcellus, der Eroberer, von der Akropolis die unermeßliche Stadt übersah, Preis gegeben allen Ungeheuern des Kriegs, – da hat er – so erzählt Livius – geweint. – Syrakus, dessen Belagerung einer halben Million Menschen das Leben gekostet hatte, ward erobert und zerstört im Jahre 212 v. Chr.

Ganz Sicilien war nun eine römische Provinz, und Syrakus, welches sich nie wieder erhob, theilte fortan die Schicksale der Insel. Kaiser August machte vergebens kostspielige Versuche, der verwüsteten Stadt den frühern Glanz zurück zu geben. Er ließ Ortigia wieder aufbauen und verschönern, erhob einen Theil von Achradina aus dem Schutt und sendete viele Tausende von Colonisten dahin. Unter spätern Kaisern geschah Aehnliches für die Stadt und mit nicht besserm Erfolge. – Unter den Byzantinern sank sie immer tiefer, und unter Kaiser Basilios ist sie nach tapferer Vertheidigung von den Sarazenen erobert worden, welche sie abermals zerstörten. – Von der Zeit an ward die befestigte Insel allein noch bewohnt. 1086 entriß sie Roger der Normann, Graf von Sicilien, den Händen der Ungläubigen, und im 13. Jahrhundert bemeisterte sich das seemächtige Pisa des Orts, welchem Genua es bald darauf wieder abnahm. Aus dessen Händen kam es unter die Herrschaft der Kaiser aus dem schwäbischen Hause, welche Könige von Sicilien waren, und seitdem hat es das Schicksal dieses Reichs stets getheilt. Herabgesunken zu einer Stadt von 13,000 Einwohnern, eingeschränkt auf die kleine Insel, der nämlichen Area, wo vor 2000 Jahren der Heraklide die nachher so unermeßlich gewordene gründete, ist sie eins der ergreifendsten Denkmale vom Wechsel menschlicher Schicksale und der Nichtigkeit menschlicher Größe.

Ephemere – was ist Jemand?
– Traum von Schatten sind die Menschen.       (Pindar.)

Das heutige Syrakus verfällt immer mehr. Von Seiten der Regierung geschieht nichts, ihm aufzuhelfen, und die Menge der Klöster (das Städtchen hat deren achtzig!) hat Faulheit und Unzucht längst zum Hauptcharakterzug