Seite:Meyers Universum 3. Band 1836.djvu/27

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Nun Verwirrung im Heere wie in den Mauern von Syrakus und aus dem Streben Vieler nach Herrschaft sproß Anarchie. Hippokrates und Epikydes, die bei’m Morde des Hieronymus thätig gewesen waren, gewannen endlich die Truppen, drangen in die Stadt, ermordeten die dortigen Häuptlinge und metzelten auf Plätzen und Straßen, in Häusern und Tempeln deren Anhang. Um sich Freunde zu schaffen, öffneten sie die Gefängnisse, ließen sie die Sklaven frei, und gaben den Knechten die Rechte des Bürgers. Auf diese Weise gelangten sie an die Spitze der Gewalt. – Da erschien der Römer Heeresmacht. Abgeordnete derselben wurden gemißhandelt und beschimpft. So wurden die Rechte des Krieges verletzt, wo man die des Friedens mit Füßen getreten hatte.

Es begannen hierauf die Römer die Belagerung des aus 4 großen Städten bestehenden unermeßlichen Syrakus zu Wasser und zu Land. Konsul Marcellus führte die Flotte, sie bestand aus 360 Schiffen; das 120,000 Mann starke Landheer befehligte Appius. 60,000 Krieger vertheidigten die Mauern; kaum genug zum Schutze von Werken so großen Umfangs, hätte nicht das Genie eines Mannes Ersatz zu geben gewußt. Archimedes, unerschöpflich im Erfinden neuer Kriegsmaschinen, schleuderte und regnete Werkzeuge der Zerstörung auf die fast täglich stürmenden Römer. Ihre Schiffe versenkte er durch geschleuderte, eisenköpfige Balken, oder er hob sie mit gewaltigen Haken hoch in die Luft und ließ sie im Herabfallen zerschmettern. Dieser einzige Mann galt für ein ganzes Heer. Sein Name war der Schrecken der Römer, und diese mußten endlich, nach schwerem Verluste, die Belagerung in eine Berennung verwandeln.

Carthago schickte 30,000 Streiter und große Vorräthe, die Belagerten zu verstärken; allein der Plan gelang nicht. Hippokrates, der mit 10,000 Mann ausfiel, um das Eindringen der Carthager zu erleichtern, wurde geschlagen und abgeschnitten. Mangel nahm überhand in der Stadt und der Hunger erzeugte Meuterei unter dem Volk, Muthlosigkeit unter den Streitern.

Da wagte Marcellus einen nächtlichen Ueberfall. 1000 auserlesene Krieger, jeder eine Drommete führend, erstiegen an so viel Orten zugleich die Mauer und plötzlich schreckte der Römer Tuba, die tausendstimmig von den Zinnen ertönte, die Stadt aus dem Schlafe. – In der Verwirrung, welche die Finsterniß begünstigte, sprengten die Stürmenden die Thore. Es wälzte sich nun, mordend und würgend, das Heer der Römer durch Straßen und über Märkte und hinter ihnen zogen prasselnd die Flammen, welche sie angefacht, ihrem Werke zu leuchten. – Epikydes eilte rasch aus der Inselstadt mit seinem Kernheer herbei, um die eingedrungenen Römer zurückzuschlagen: es war zu spät. Nach einem schrecklichen Kampfe mußte er sich nach Achradina zurückziehen, dem Stadttheile zunächst der Insel, die andern (Tusa und Neapolis) den Römern und den Flammen überlassend. Jene, nach versichertem Besitz, thaten dem Feuer Einhalt und schenkten den übrigen Einwohnern das nackte Leben. Alles andere fiel den Soldaten zur Beute. Unermeßlich war sie in einer Stadt, die so lange geblühet. – Epikydes vertheidigte demungeachtet Achradina und die Insel mit verzweifeltem