Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band | |
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und führte zum Frieden, in welchem letzteres die Freiheit und Unabhängigkeit aller griechischen Städte anerkennen mußte. Dem Timoleon, welcher dies alles vollbracht hatte, bot das Volk von Syrakus die Krone an. Er schlug sie aus; eine seltene That, durch die er gegen den vergänglichen Flitter der Majestät die Verehrung aller Zeiten erworben und ein Beispiel gegeben hat, welches die größten Menschen der Nachwelt, einen Washington z. B., zur Nachahmung begeisterte.
Nach Timoleon’s Tode, im Jahre 335 v. Chr., genoß Syrakus noch eine kurze Zeit der Ruhe; dann kehrten die Schrecken der Tyrannei zurück. Anfangs Sosistratus und darauf Agathokles, bemächtigten sich der Herrschaft. Der erste ein Aristokrat, mit den Carthagern gegen sein eigen Volk im Bunde; der zweite ein Mann des Pöbels, ein kühner und glücklicher Abenteurer, ein neuer Dionys. Er ließ die edelsten Geschlechter von Syrakus ermorden – 4000 an der Zahl – und verschaffte sich durch den Raub ihrer Güter die Mittel zur dauernden Herrschaft über das verwilderte Volk. Die benachbarten Städte überzog er mit Krieg, brandschatzte und plünderte sie und verübte durch seine Söldlinge die schrecklichsten Greuel. Die Geängstigten wendeten sich um Hülfe an Carthago. Dies zögerte nicht, die Gelegenheit zur Erneuerung seiner Eroberungspläne zu benutzen. Wieder sendete es Flotte und Heer und belagerte Syrakus. Aber der kühne Agathokles, der Stadt Vertheidigung den Bürgern überlassend, segelte mit 50,000 Mann nach Afrika und brachte durch Siege und Eroberungen Carthago selbst dem Untergange nahe. Schon vermaß er sich zu dem Titel: Fürst von Syrakus den eines Königs von Afrika zu fügen, als ein neuer Umschwung des Glücks ihn von seiner Höhe herabstürzte. In Syrakus brach Empörung aus. Er eilte schleunig dahin, dämpfte den Aufstand mit Strömen Bluts, wurde aber von den Carthagern besiegt. Dennoch behauptete er sich durch Grausamkeit in der Herrschaft. Dreißigtausend Syrakusaner bluteten auf seinen Befehl durch Henkershand, oder in den Metzeleien, die er gebot; ganzer Städte Bevölkerung tilgte er aus. Endlich starb er durch die Ruchlosigkeit seines Enkels einen wohlverdienten Tod.
Verschiedene Tyrannen nach ihm verlängerten die Leiden des einst so blühenden Staats. 150 Jahre schon hatten sie gewährt, da kam endlich eine glücklichere Zeit. Hieron, aus Gelons Geschlechte, wurde zum Könige ausgerufen, und er trug die Krone 54 Jahre zu seinem ewigen Ruhm. Er fachte in dem durch den Druck in Gefühllosigkeit versunkenen Volk Liebe des Vaterlandes wieder an, setzte der Sittenlosigkeit Schranken und bestrebte sich, den Sinn für hohe Bürgertugend wieder zu erwecken. Während er also innere Glückseligkeit begründete, hielt er äußere Feinde mit starkem Arm zurück. Die Carthager zwang er zur Waffenruhe. Noch einmal füllte sich Syrakus mit Bewohnern aus; denn von allen Seiten zog Hieron Einwanderer herbei; der Handel blühte, Reichthum kehrte zurück; den Ackerbau begünstigte er durch sein eigen Beispiel; die schönen Künste und Wissenschaften zierten seinen Hof, und Syrakus, mit Tempeln, Pallästen und Monumenten sich füllend, wurde herrlicher als je und zur ersten Stadt der Welt. –
Noch während dieser glücklichen Periode fingen die Wetterwolken an sich aufzuthürmen, welche Syrakus
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam und New York 1836, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_3._Band_1836.djvu/25&oldid=- (Version vom 22.7.2024)