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Bande wurde allgemein gefühlt. Diokles, ein Mann von Lykurgischem Geiste, erhielt durch den Willen des Volks den Auftrag ihrer Abfassung. – Sie waren sehr strenge. Eins lautete: kein Bürger dürfe bei Todesstrafe bewaffnet bei öffentlichen Volksversammlungen erscheinen. Diesem fiel der Gesetzgeber selbst als Opfer. Einst geht er mit umgürtetem Schwerdt aus dem Hause. Ein Auflauf des Volks entsteht; er eilt, es zu beruhigen, in seine Mitte. Da ruft ihm ein Bürger zu: Diokles, du brichst dein Gesetz! Nicht so, bei’m Zeus, antwortete er, ich bekräftige es! und stieß sich das Schwerdt in die Brust. – Die Syrakusaner erzeigten ihm später Heroenehre und widmeten ihm einen Tempel.

Nach Diokles Tod verwickelten sich die Angelegenheiten Siciliens, in denen Syrakus stets eine Hauptrolle spielte, auf die gefährlichste Weise. Carthago hatte nach der Niederlage bei Himera seine Pläne auf die Eroberung der Insel keineswegs aufgegeben, und während einer siebenzigjährigen Pause wartete es blos des Augenblicks, in welchem es mit größerer Wahrscheinlichkeit des Erfolgs seine frühern Anschläge ausführen konnte. Nach keinem Besitz hat Carthago so heftig und beharrlich gestrebt, als nach dem Siciliens. Allerdings machte die Größe, die Fruchtbarkeit, die Menge und der Reichthum der Bewohner, die Lage endlich, den Besitz dieser Insel, welcher nach dem damaligen Stand der Dinge die Herrschaft des Mittelmeers und gewissermaßen der Welt bedingte, höchst wünschenswerth. Auch war Carthago kein Fremdling in dem Lande, nach dem es strebte. Seit den ältesten Zeiten schon übte es die Hoheit über Colonieen, welche seine Stammgenossen, die Phönizier, auf der Westküste Siciliens angelegt hatten.

Der vielgetheilte Zustand und die unaufhörlichen innern Zwistigkeiten der griechischen Pflanzstädten, welche sich, nach der Vertreibung der Athenienser, eifersüchtig befehdeten, schien den Carthaginensern für den Erfolg eines erneuerten Eroberungsversuchs hinlängliche Bürgschaft. Gelegenheit dazu war bald gefunden. Egesta war mit den Nachbarstädten in Krieg und unterlag. Die Carthager boten Hülfe, die jenes annahm. Hannibal und Hamilco, Carthago’s Feldherren, kamen mit einer furchtbaren Flotte und landeten an der Spitze eines zahlreichen Heeres. Sie befreiten Egesta, zerstörten Selinus und Himera, eroberten und verwüsteten das mächtige, reiche Agrigent und belagerten Gela. Ganz Sicilien richtete in dieser Gefahr seine Blicke auf das starke Syrakus, welches durch Größe und Reichthum damals Athen, Rom und Carthago gleichkam. In vier durch Bollwerke und Gräben getrennte Städte getheilt, hatten seine Ringmauern 10 Stunden Umfang; sie umschlossen 150,000 Gebäude und deren Einwohnerzahl überstieg eine Million; der streitbaren Männer waren über 200,000. Die Macht, das Ansehen und das Gewicht, welches diese nummerischen Verhältnisse Syrakus gaben, wurden vermehrt durch den rührigen Geist seiner Bewohner, der ihnen mit allen Griechen gemein war, aber auch geschwächt durch einen kaum glaublichen Luxus, durch Sittenlosigkeit und durch den Mangel einer starken, die Parteien und ihre Leidenschaften im Zügel haltenden Verfassung. –