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der Welt so glorreich in Ausführung brachte. Hier erglühte des Jünglings Herz für Darbringung auch der größten Opfer, hier schwebte sein Geist zu den himmlischen Höhen auf, in welchen er sein Ideal fest baute, das unerschütterlich durch alle Zeiten steht. In diesem heimlichen Thale dachte er der Möglichkeit einer seligern Zukunft des Menschengeschlechts nach, und in dem Wonnebecher dieses Gedankens fand er den freudigen Muth der Liebe, welcher ihn nie verließ und den höchsten Triumph feierte unter den Martern am Kreuze. –

Schon in den ersten Jahrhunderten des Christenthums war Nazareth den Frommen ein geweiheter Aufenthalt, und schon zu Constantin’s Zeit war hier eine christliche Kirche und eine kleine Gemeinde von Gläubigen. Später, als Wallfahrten nach den heiligen Oertern aufkamen, sammelten sich aus den Opfern und Schenkungen herwandernder Pilger die Mittel zum Bau eines der größten Klöster des Orients; Franziskaner bezogen es und zur Zeit der Kreuzzüge hatte es über hundert bewohnte Zellen. Jetzt sind die Außengebäude großentheils verfallen; aber die erhaltenen, welche gegenwärtig 12 Väter bewohnen, meistens Spanier und Franzosen, sind bequem eingerichtet und noch immer geräumig genug, um einer großen Zahl von Pilgern ein anständiges Unterkommen zu geben. Die Kirche des Klosters, – die Kirche der Fleischwerdung Christi – ist in der Form des Kreuzes erbaut, schön verziert und mit kostbarer Mosaik getäfelt. Sie bedeckt das Gemäuer, welches man als Ueberbleibsel des Hauses angibt, das Maria und Joseph einst bewohnten. Diese merkwürdige Ruine ist ein Gewölbe von etwa 20 Fuß Länge und 8 Fuß Breite. Steinerne Pfeiler trennen es in 3 Abtheilungen, von denen die eine die Wohnstube, eine andere die Schlafkammer, die dritte, heiligste endlich, die Kammer der Verkündigung heißt. – Auch zeigt man im Kloster den Gläubigen die Küche der Maria, den Gemüsgarten Josephs, und dessen Werkstätte, jetzt eine Kapelle. Doch der Glaube an diese Angaben, deren Wahrheit wohl nicht mit Unrecht bestritten wird, ist tief gesunken, und die Wundergeschichten, welche die den Beschauer begleitenden Geistlichen vernehmen lassen, schmecken zu sehr nach Mönchs- und Pfaffentrug, um Andere, als die Dummgläubigen zu täuschen.

Dem Franziskanerkloster gegenüber steht ein zweites, von maronitischen Mönchen bewohnt. Auch sie zeigen unter ihrem Dache viele durch das Jugendleben des Heilandes geweihte, sogenannte heilige Orte, deren Aufzählung und Beschreibung ich unterlasse. –