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und Jünglingen, ein hohes Fest des gedoppelten Siegs der Wahrheit und des Rechts über die Macht der Unterdrückung, – ich meine des Siegs der deutschen Glaubensfreiheit, durch Luther errungen, und des Siegs deutscher Volksehre, gewonnen durch die Eintracht muthigen Wollens und Vollbringens unter deutschen Stämmen, – das Fest am 18. October 1817. – Alle diese Erinnerungen werden lebendig fortdauern, wenn auch die alleszerstörende Hand der Zeit Wartburg’s noch feste und gewaltige Mauern von ihren Felsen gestürzt, und der Wind ihren Staub verweht hat.

Die Wartburg liegt eine halbe Stunde von Eisenach, in einer an grandiosen Naturscenen reichen Umgebung, auf der Spitze eines steilen, felsigen, waldbewachsenen Berges. Ihr Erbauer war Ludwig der Zweite (der Springer), der Thüringer Landgraf. Das Land war heimgesucht durch Hungersnoth; der Fürst that seine Getreidemagazine auf und bot Brod gegen Arbeit am Burgbau. Da strömten Dürftige und Hungernde in Schaaren herbei, und nach zwei Jahren stand sie da, das prachtvollste Fürstenschloß im Thüringer Lande. Kein Fluch leibeigner Fröhner ruht auf ihren Zinnen; wohl aber der Segen vieler vom Hungertode Erretteten.

Nicht Worte genug finden die alten Chronisten, zu erzählen von Wartburg’s damaliger Pracht. Ihre Dächer waren mit Blei gedeckt; byzantinische Bildhauer hatten Söller und Gesimse an Thüren und Fenstern verziert; aus kostbarem Schnitzwerk bestanden alle Decken und Wände der Gemächer. – Von dieser Herrlichkeit ist keine Spur mehr übrig.

Die Wartburg blieb die gewöhnliche Residenz der mächtigen Landgrafen, (deren Gebiet nicht blos das eigentliche Thüringen, sondern auch fast das ganze Königreich Sachsen einschloß,) bis die drei Söhne Friedrich’s des Zweiten 1379 das Reich unter sich theilten. Balthasar, einer derselben, behielt Thüringen; die Brüder Wilhelm und Friedrich der Dritte bekamen das Osterland und die Länder an der Elbe: Meißen nämlich, das nachmalige Kursachsen. Balthasar starb kinderlos. Thüringen wurde hierauf unter die Vettern vertheilt. Seitdem verschwinden die Landgrafen von Thüringen aus der Geschichte, und die Wartburg – nur noch zu gelegentlichen Besuchen der Fürsten erhalten – verliert ihre Bedeutung als Residenz. Ihre Glanzperiode ist vorüber.

Durch Feuersbrünste litt sie mehrmals, und einige ihrer Hauptgebäude gingen darüber zu Grunde, oder wurden abgetragen, um Neubauten Platz zu machen, welche weder mit der Pracht, noch für die Zwecke der alten aufgeführt wurden. Man räumte die Burg Beamten zur Wohnung ein, und schon vor der Reformation diente sie öfters zum Getreidemagazin. Aber eine strahlendere und dauerndere Glorie, als die ihr der Aufenthalt eines Monarchen geben kann, erhielt die Wartburg durch den Helden, der der christlichen Welt die Freiheit des Glaubens errungen hat.