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aus Afrika, und die gemeinschaftliche Gefahr einigte nicht selten die Getrennten zum tapfersten Widerstand. Die Mauren (Araber) stritten, als sie die Uebermacht der christlichen Waffen fühlten und einsahen, daß es um Seyn und Nichtseyn sich handelte, mit Löwenmuth, wichen nur schrittweise, und noch im fünfzehnten Jahrhundert war das Königreich Granada ihr wohl vertheidigtes Besitzthum. Erst als zu Ende dieses Zeitabschnitts das ganze christliche Spanien unter einer Krone vereinigt worden, und so vereint die ungeheuerste Uebermacht gegen die Mauren entwickelte, erst dann als der unnatürlichste, innere Hader das unglückliche Granada zerfleischt und das Herzblut der Araber versprützt hatte, (Bruder und Sohn standen gegen den rechtmäßigen Herrscher auf!) ging im letzten verzweifelten Kampfe gegen die Heere der Christen das Gestirn der Moslims für immer in Spanien unter, und mit der Einnahme Granada’s (1492) war das spanisch-sarazenische Reich, nach achthundertjähriger Dauer, erloschen.

Cordova war schon früher gefallen. Schon mit dem Sturz des Omaijadischen Herrscherhauses und der Auflösung des Chalifats, hatte es seine Blüthenzeit geendet; denn als Hauptort eines kleinen Staats konnte es nicht die frühere Bedeutung der Metropole eines der mächtigsten Reiche behaupten. Inzwischen war es auch nach der Eroberung durch die christlichen Spanier noch immer groß; denn seiner Bevölkerung, fast ganz arabischer Herkunft, war freie Religionsübung durch Vertrag gestattet, und die Künste des Friedens hielten Wohlhabenheit in seinen Mauern zurück. Aber als Ferdinand die Vernichtung der Maurischen Macht vollendet hatte, als nichts mehr von derselben zu fürchten war, nahm der Katholische (so nannte ihn die Kirche zum Lohn seines Eifers für die Reinigung des Reichs von den Ungläubigen) die Maske ab, und die Welt hörte aus seinem Munde den feierlich proklamirten Grundsaß: daß kein König verbunden sey, Ungläubigen Wort zu halten. Er ließ der gesammten mahomedanischen Bevölkerung blos die Wahl zwischen Taufe und Auswanderung. Wer konnte, wählte das letztere. 200,000 arabische, wohlhabende Familien verließen ihre alten Wohnsitze und zogen über’s Meer in’s mauritanische Land. Spanien verlor seine reichsten und betriebsamsten Bürger. Ganze Provinzen standen leer und verwilderten. Aber die Kirche triumphirte und rief dem Könige ihr Hosianna zu. Niemals hat sich Spanien von den Folgen dieser kurzsichtigen und grausamen Politik wieder erholen können.

Auch aus Cordova zogen 40,000 Einwohner. Ein Drittel der Häuser wurde leer und der Verfall der Stadt folgte dem Abzuge der Mauren auf dem Fuße, weil mit diesen zugleich Reichthum, Handel und Gewerbe flohen. – Indessen war mit dem freiwilligen Abzuge das Verfolgungswerk nicht vollendet. – Ausrottung des Mohamedanismus bis auf die letzte Spur, war die Aufgabe Ferdinand’s, und dazu war ein ander Werkzeug nöthig, als die Taufzeremonie der Bleibenden. Dieses Werkzeug wurde in der Inquisition erfunden, in jenem Blutgericht des Glaubens, gleich geeignet der zügellosesten Habsucht des Königthums und der Kirche, wie ihrem Verfolgungsgeiste, zu dienen. Dieses Schreckenstribunal, errichtet zunächst, um die heimliche Ketzerei der getauften Mauren auszurotten, gab Leben und Vermögen jedes Spaniers der Willkühr des Staatsoberhaupts und der mit ihm verschworenen Pfaffen preis.