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und pflanzten, zum Schrecken von ganz Europa, Mahomed’s Fahne auf den Gipfeln der Pyrenäen auf.[1] Ganz Spanien war in ihrer Gewalt.

Aber nicht unbestritten blieb sie. Viele vertriebene Gothen hatten sich in die nördlichen und westlichen Gebirge geflüchtet, und sie fanden dort bei den kühnen, nie ganz bezwungenen Stämmen der Ureinwohner Schutz und Beistand. Ein mörderischer Kleinkrieg, den der wüthendste Religionsfanatismus nährte, dauerte fort, verderblich für das Land; – denn die Schwierigkeit, ihre Macht auf der Halbinsel zu befestigen, brachte die Sarazenen gegen die christliche Bevölkerung noch mehr auf und beförderte das grausame Werk ihrer Verfolgung. Spanien schwamm in Blut, und was von der römischen Herrschaft und Blüthe nach den Eroberungsstürmen der Gothen und Vandalen Großes erhalten worden war, ging vollends unter.

Unterdessen zerfleischte innerer Hader das arabische Weltreich. Ein Seitenzweig von Mahomed’s Haus hatte sich, nach Austilgung der direkten Nachkommenschaft des Propheten, im Besitz des Throns von Damaskus gesetzt, und die Omaijaden herrschten usurpatorisch über die Gläubigen; mit den Schrecken der Tyrannen und wie diese gehaßt. Einige Generationen hindurch hielt Despotie die Gluth unterdrückt; unter Merwan brach sie in Flammen aus. Ibrahim, Enkel eines Oheims des Propheten, el El-Abbas, (Stifter des Hauses der Abbassiden) wurde in Chorosan vom Heere als Herrscher[WS 1] ausgerufen; zwar bald ermordet; aber dann sein Bruder, Abdullah, statt seiner zum Gegen-Chalifen erwählt. Merwan verlor gegen diesen in einer Hauptschlacht am Nil Leben und Reich, und das Geschlecht der Omaijaden wurde von dem Sieger schonungslos ausgetilgt bis auf den letzten Zweig. Also vergalt Nemesis die Ermordung der Enkel des Propheten.

Nur ein einziger Sprößling des Fürstengeschlechts, Abdorraman, entrann, verkleidet und nach wunderbaren Schicksalen in das ferne Abendland. Die Thäler des Atlas verbargen ihn als Flüchtling; Spanien nahm ihn als Herrscher auf. Dieser entlegenen Provinz waren die Parteiungen des Hauptlandes fremd geblieben; sie ehrte das Haus, unter dessen Scepter es vom Anbeginn gestanden. Also baute der noch einzig übrige Abkömmling der Omaijaden, durch Glück und Muth, in Spanien einen neuen Thron, welcher längern und festern Stand als der verlorene in Damaskus hatte. Und zur Hauptstadt dieses auf immer vom großen Chalifat getrennten Reiches erkohr er Cordova.

Der Stolz und die Prachtliebe seiner Beherrscher (die sich gleichfalls Chalifen nannten) und ihr Reichthum, die Frucht einer wenigstens im Anfang weisen und kräftigen Verwaltung, erhoben Cordova bald zur würdigen


  1. Die unsterbliche Schlacht bei Poitiers (772), – die sechstägige – in der 350,000 Sarazenen ihr Leben verloren, und „das hochstämmige, kühne Geschlecht der Deutschen, mit mauerfester Brust und eisernem Arme streitend“, unter Karl Martell endlich zur Vertilgung des Araberheeres den Ausschlag gab, machte dem Welteroberungsplane der Araber und dem weitern Vordringen derselben von dieser Seite bekanntlich für immer ein Ende, und die Sarazenen, daß schon halb eroberte Frankreich verlassend, zogen sich hinter die Pyrenäen zurück.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Heerscher