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ihren Vortheil. Nach langer Fehde, in der bald die, bald jene mächtige Familie die Zügel der Regierung faßte, kamen die Scaliger zur Herrschaft, in der sie sich über 170 Jahre lang zu behaupten wußten. Als sie aber mit dem übergewaltigen Hause der Visconti, das sich auf Mailands Thron gesetzt hatte, in Krieg geriethen, traf sie das Unglück, in mehren Haupttreffen zu unterliegen. Die Mailänder eroberten das ganze Gebiet, und 1387 fiel Verona selbst in ihre Gewalt. Inzwischen gaben die Visconti’s dessen Besitz bald wieder auf, und einige Zeit wurde Verona von der Familie Carrari beherrscht. – Von dieser kam es (1405) an die Venetianer, welche erobernd bis an die Alpen drangen. Deren Herrschaft dauerte ungestört fort bis 1796, bis zur Periode der Vernichtung des Staats durch die neufränkischen Heere.

Verona besitzt blühende Gewerbe. Es hat bedeutende Webereien in Seide und ansehnliche Fabriken in wollenen Zeugen und Leder. Der lebhafte Handel mit Deutschland und der Schweiz ist aber doch nur noch ein Schatten von dem, was er früher gewesen war. Seide ist dessen Hauptgegenstand. – Zur Venetianer-Zeit galt Verona als das Hauptbollwerk des Staats gegen Deutschland; unter österreichischer Herrschaft hat es seine militärische Wichtigkeit verloren, und die drei Kastelle auf den benachbarten Höhen: St. Felice, St. Pietro und Castello, verfallen. – Von merkwürdigen Gebäuden nennen wir die Kathedralkirche, unter den vorhandenen 93 Kirchen die prächtigste und sowohl ihrer Bauart und Größe, als ihres Gemäldeschatzes wegen berühmt. Das alterthümliche Rathhaus ziert die Piazza de’ Signori, (den Herrenplatz) den größten der Stadt, mit den Statuen ausgezeichneter Bürger. Die öffentliche Dankbarkeit errichtete sie in den Zeiten der Republik.

Verona ist reich an Denkmalen der klassischen Vorzeit. Vor allen ist das Amphitheater berühmt, und nächst dem Theater zu Nismes hat sich keine jener gewaltigen und riesenmäßigen Konstruktionen so erhalten auf die Nachwelt gebracht, wie dieses, welches in räumlicher Beziehung allein vom Colosseum in Rom überboten wird. – Das Veroneser mißt 464 Fuß Länge mit 364 Fuß Breite; das römische ist also um etwa die Hälfte größer. Die Außenseite ist sehr verunstaltet. Einst bot sie eine prachtvolle Marmorfaçade mit drei über einander gestellten Säulenreihen dar; aber von letztern sind nur noch einzelne Bruchstücke übrig, die Marmorbekleidung ist längst verschwunden und nichts mehr sichtbar als die Ziegelmauern, welche sie verbarg. Um so angenehmer wird der Beschauer durch das Innere überrascht. Es ist so vollkommen gut erhalten, als wäre es erst vor Kurzem erbaut. – Durch die Fürsorge des berühmten Maffei wurden zu Ende des vorigen Jahrhunderts die untersten Sitzreihen vom Schutte befreit, die Arena vollkommen gereinigt, und alle Beschädigungen im innern Raume mit Vorsicht und Geschick ausgebessert. Seit dieser Zeit wird es auf Kosten der Stadt, welche einen besondern Fond dazu gewidmet hat, durch stete Nachhilfe vor Verfall geschützt.

Das Innere besteht aus 46 Reihen Sitzen von rothem Marmor, welche rund herum laufen. Nach jeder der Arkaden führen 32 Ausgänge, so daß sich die unermeßliche, schaulustige Volksmenge stets ohne Drang und Unordnung versammeln und trennen konnte. 25,000 Menschen hatten auf den Bänken Raum, von deren obersten Reihen die