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„er fiel todt an meiner Seite bei Toledo. Ein Sarazen spaltete ihm das Haupt von hinten, nachdem er der Ungläubigen, umringt von ihnen, über funfzig erschlagen. Ich wollte ihm helfen, und entkam selbst kaum mit dem Leben.“ –

Hildegund war leblos niedergesunken während dieser Rede. Mit Mühe brachte man sie zum Bewußtseyn zurück. Aber des Lebens Reiz und Werth war für sie dahin. Mit Todeskummer im Herzen ging sie auf des Vaters Anrathen in das Nonnenkloster auf der einsamen Rheininsel Frauenwerth als Layenschwester, um Trost zu suchen in Religion und Gebet. Zwei lange Jahre waren vorüber gegangen, da starb auch der von Gram erdrückte Vater, und mit ihm brach dem armen Mädchen der letzte irdische Stab. Sie nahm den Schleier und schenkte dem Kloster ihr ganzes Erbe.

Die Schreckensnachricht des fränkischen Ritters war nicht ohne Grund gewesen. Man hatte Rolanden schwer und dem Anscheine nach tödtlich verwundet vom Schlachtfelde getragen; doch kam er mit dem Leben davon und genaß allmählich wieder. Noch eine Zeitlang kämpfte der Ruhmsüchtige in vielen Schlachten; und erst als der Krieg seinem Ende sich nahete, überwand die Sehnsucht der Liebe den rastlosen Durst nach Kampf und Sieg. Nachdem der Kaiser ihm Rückkehr in die Heimath gewährt hatte, eilte der gefeierte Held auf den Flügeln der Liebe und der Hoffnung dem Rheine zu.

Glücklich erreichte er das Ziel. Es war Herbst, und in stürmischer Nacht gelangte er zur wohlbekannten Pforte, wo er Hildegund zum letztenmale vor drei Jahren an die treue Brust gedrückt. Herzklopfend rief er um Einlaß, einen befreundeten Namen, nicht den seinigen nennend. Lange mußte er warten; endlich kam still und traurig der alte Thorwart herbei und öffnete; aber den Ritter erkannte sein schwaches Auge bei’m trüben Laternenschein nicht. Ahnungsvoll fragte Roland nach dem Fräulein. Da antwortete der Alte:

„Die ihr suchet, trägt den Schleier,
     Ist des Himmels Braut;
Gestern war des Tages Feier,
     Der sie Gott getraut.“

Wenige Augenblicke vervollständigten dem Unglücklichen die hoffnungslose Kunde.

Da warf Roland verzweiflungsvoll die Waffen von sich und das Stahlwamms, in dem er die höchsten Stufen des ritterlichen Ruhms errungen hatte, und er, der Neffe des Kaisers, mit der Kraft, die Bahn zu Thronen sich zu brechen, – legte die Kutte des Klausners an, und baute sich auf den unwirthbaren Felsgipfel, von dem er das Fenster der Zelle seiner verlornen Geliebte erschauen konnte, eine Hütte, auf deren Thürschwelle er täglich saß