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Ueberbringer seiner Befehle, Boten, Gesandte; das Heer der Gestirne: – Geister, Genien, oder Engel, sein Volk; der Himmel sein Reich. Jedes einzelne Gestirn erhielt Benennungen, Geschäfte, Attribute, Symbole, die alle aus ihren sichtbaren oder eingebildeten Wirkungen gezogen wurden.

Aus dem menschenüberfüllten Indien wanderten Volkskerne, und mit ihnen Ackerbau, Sternkunde und die auf sie gegründeten Religionsbegriffe, nach Aethiopien, von da nach Aegypten. Hier, eingeschlossen im schönen Nilthal, wo die periodischen Ueberschwemmungen, von denen der Bewohner Wohlfahrt abhing, diese mehr als irgendwo auf der Erde die Wichtigkeit astronomischer Kenntnisse und der mathematischen Wissenschaften (des Messens und Rechnens) erkennen ließen, bildeten sich die indischen Religionsbegriffe vollkommener aus. Anfangs so einfach, (denn was kann einfacher und dem Gang des menschlichen Geistes in der Kindheit angemessener seyn, als jene erste Verehrung der Gestirne unter ihren natürlichen Gestalten oder Attributen, in ihren allen Menschen sichtbaren, und von ihnen verstandenen Beziehungen auf die Erzeugnisse der Erde und auf die Arbeiten des Ackerbaus!) – wurden, als die Kenntnisse der Wirkungen der Gestirne auf die Erde und auf irdische Verhältnisse sich mehrten, die Begriffe verwickelter, und wie die Kultur fortschritt, auch die Symbole und die Zeichen, welche sie andeuteten, immer zahlreicher. Kein Wunder, daß am Ende dem gemeinen Verstande der Faden des Erkenntnisses verloren ging.

Es fanden sich nun Menschen, welche das Studium der Gestirne und ihrer Kräfte und Einflüsse, ihrer Symbole und deren Auslegung zur ausschließlichen Aufgabe ihres Lebens machten, und es als ihren Beruf ansahen, dem Volke die Resultate ihrer Forschungen mitzutheilen. Diese, welche sich Wissende (Weise) nannten, sagten die Zeiten der Veränderungen der Himmelskörper, der Ueberschwemmungen u. dgl. voraus, und gaben Regeln zum Vorausbestimmen des Witterungswechsels, der besten Zeit zur Aussaat und zur Aerndte etc. In Betracht solcher dem Volke geleisteten Dienste überhob man jene Menschen der gemeinen Arbeit, und der Staat sorgte für ihren Unterhalt. Bei ihren Forschungen über die Eigenschaften der Früchte und Kräuter lernten sie deren nährende und medizinische Kräfte kennen; die Beobachtung des Spiels der Elemente führte zur Erforschung ihrer Gesetze, zur Kenntniß ihrer Natur und ihrer gegenseitigen Verwandtschaften. So wurden sie Begründer der mathematischen, medizinischen und physikalischen Wissenschaften. Weil sie aber in Ermangelung der Buchstabenschrift kein anderes Mittel zur Mittheilung dieser Kenntnisse besaßen, als den mühsamen mündlichen Unterricht, so trugen sie dieselben nur auf Verwandte und Freunde über, und die Folge davon war, daß alle Wissenschaft und aller Unterricht sich in eine Anzahl Familien zusammen drängte, die sich den ausschließlichen Besitz derselben anmaßten, und dem Volke, den Layen, gegenüber einen stolzen Kasten- und Absonderungsgeist annahmen. Alle höhere Erkenntniß war für das Letztere in ein undurchdringliches Geheimniß gehüllt, und in eben dem Maße, als der Lichtkreis der Geweiheten sich erweiterte, umhüllte die Menge dichtere Finsterniß. War es dann zu verwundern, daß das Volk jene Menschen, die Sonnen- und Mondfinsternisse und Kometen voraus verkündigten, gleichsam auf ihr Geheiß entstehen ließen, deren Kunst den Tod vom Krankenbette wies und die gebrochenen