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Das Innere von Smyrna bewahrt keine Spur von den Prachtdenkmälern der Baukunst, wegen welcher es im Alterthume so berühmt war. Wo sonst die Tempel, das Homerium, das Gymnasium, die Bibliothek, die Rennbahnen, Amphitheater, Thermen und Monumente, auf Plätzen oder in regelmäßigen Straßen sich erhoben, findet man schmuzige Gassen, elende und leicht von Koth und alten Bautrümmern zusammengeklebte Häuser und das Gewühl einer größtentheils armen, zerlumpten Bevölkerung. Es ist hier wie überall in der Levante; nur die Natur und die Erinnerung haben wahren Reiz.

Smyrna’s Großhandel zur See ist in den Händen der Franken; in den noch weit bedeutendern Binnenverkehr theilen sich Armenier und Juden, unter denen es unermeßlich reiche giebt. – Für Europa sind Zucker, Tücher und wollene und seidene Zeuge die wichtigsten Importen; und unter den Ausfuhrartikeln stehen Rosinen, Baumwolle, Droguerien und rohe Seide oben an. Die hiesigen Teppichfabriken liefern für den asiatischen Verkehr große Quantitäten und ihre Waare ist als die beste im ganzen Morgenlande geschätzt.

Werfen wir noch, ehe wir Smyrna verlassen, einen Blick auf seinen Bazar. Der ihm angewiesene ungeheuere Raum ist in regelmäßige Gassen eingetheilt, in denen sich Laden an Laden reiht. Hier, wo man alle Natur- und Kunstprodukte des Morgen- und Abendlandes ausgelegt findet, begegnet man Menschen aus allen Völkern, die in malerischen Gruppen und in den mannichfaltigsten Trachten und Hautfarben stets hin und her wogen. Man sieht die armenischen, persischen, nubischen und tartarischen Kaufleute, die mit den Karavanen aus den entferntesten Gegenden kommen, die Cargadeurs und Agenten der europäischen Handelsschiffe, die Pilger aus Mekka mit den grünen Prophetenturbanen, den grandiosen Türken, den kriechenden Juden, den schlauen, scheuen Griechen, christliche Mönche und mohamedanische Derwische, Weiber und Mädchen jeder Farbe und Abstammung. In einer besondern Abtheilung werden die Haremsartikel, die köstlichen Spezereien aus Arabien, Persien, Hindostan und Aegypten verkauft, welche die Luft in ein Meer von Wohlgerüchen verwandeln. Hier sieht man auch die bunten Kinderspiele aus Nürnberg, die parfümirten Handschuhe und künstlichen Blumen aus Paris und Genua, und Zeisige und Blutfinken aus Tyrol und Thüringen zu hunderten, die in glänzenden Käfigen zwitschern. Diese kleinen gefiederten Sänger deutscher Weisen werden meistens in die Harems der Großen verkauft, die sehr unglücklichen Frauen zu ergötzen und ihnen die Langeweile zu kürzen.