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Unter den Gebäuden ist der königliche Palast das Merkwürdigste. Es ist ein sehr weitläufiges, zu verschiedenen Zeiten errichtetes, unregelmäßiges Gebäude, dessen ältester Theil (der Binnenhof) der alte Palast der Prinzen von Oranien war. – Hier versammeln sich auch die Generalstaaten, die Stände Holland’s. – Sehenswerth ist in demselben des Königs Privatbibliothek (90,000 Bände), eine der kostbarsten und an seltenen Drucken und Manuscripten reichsten Europa’s; – ferner das eben so kostbare Münzkabinet (75,000 Nummern) und die Gemäldegallerie, die schönsten Werke der Niederländer Schule von ihrem Beginnen bis auf unsere Zeit enthaltend. Das gleichfalls im Palaste aufgestellte Museum für Naturgeschichte wurde von Napoleon nach Paris gebracht; nach dem Sturze dieses großen Mannes aber zurückgegeben. Es wird für das vollständigste in Bezug auf die organische Natur Asien’s gehalten. – Eines Besuches werth sind das sehr große und trefflich eingerichtete Cadettenhaus, das Erziehungshaus für Soldatenkinder und die königliche Stückgießerei, ein ungeheures Gebäude, vielleicht das größte zu diesem Zwecke in Europa. Ueber dem Portico desselben nennt eine Inschrift als Zweck desselben – Erhaltung des Friedens! Leider hat sich das königliche Mittel noch nicht bewährt!

Ja der Nähe Haag’s ist der Palast im Busch, als Sommerresidenz des Monarchen, betrachtungswerth. Der Busch ist ein ungekünstelter, etwa 2 Stunden großer, prachtvoller Eichenwald, den einige schöne Grasplätze schmücken und breite Alleen mit der Stadt verbinden. Hirsche und Rehe weiden vertraulich, ungeachtet der Nähe der Stadt und der dicht vorbeiführenden, stets von Spaziergängern besuchten Wege, am Saume des Gehölzes. Eine unabsehbare Reihe von stattlichen Häusern mit lieblichen Gärten machen Fronte gegen die nach der Stadt führende Hauptstraße und dienen den Haagern zu den angenehmsten Sommerwohnungen. In den verschlungenen Schattengängen des Busches sind im Sommer – ähnlich wie im Prater der Wiener – hunderte von Restaurateursbuden aufgeschlagen, und jeder schöne Tag versammelt hier viele Tausende zu Freude und Genuß. Des Königs Haus im Busch ist ein kleines, anspruchloses Schlößchen mit wenigen Wirthschaftsgebäuden, und die innere Einrichtung um nichts prächtiger, wie die der benachbarten Häuser reicher Privatleute. Der Audienzsaal allein erinnert an die Wohnung eines Monarchen über eine der größten, obschon nicht zahlreichsten, Nationen der Erde. Er ist kuppelförmig überwölbt und erhält sein Licht von oben, so daß die Hauptmasse auf den strahlenden Königsthron fällt. Die Mauerbekleidung bilden Gemälde, – Werke vaterländischer Meister, – welche mit ihrem Pinsel die Heldenthaten des Volks verherrlichen, dessen Repräsentant hier den Vertretern fremder Nationen das Ohr leiht. Gewiß eine eben so angemessene als würdige Ausschmückung.