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LXV. Der Haag.




Von welcher Seite man sich Holland’s Königstadt nähert, immer geht der Weg an Canälen hin, deren größte die bedeutendsten Städte Nordholland’s, den Haag, Amsterdam, Rotterdam und Leyden verbinden, und die wieder viele kleinere durchschneiden. Bald sind sie auf beiden Seiten besetzt mit Linden oder dunkelschattenden Rüstern, bald eingefaßt vom grünen Teppich fetter Wiesen. Immer aber beleben sie Nachen und Schiffe, deren weiße Segel und langflatternde Wimpel sich auf der unabsehlichen Ebene vielfach durchkreuzen. Kein Hügel hemmt die Aussicht, nur der Horizont beschränkt sie, und Kirchthürme und Windmühlen, bald gruppenweise hinter und neben einander, bald einzeln, blicken in allen Richtungen aus Gebüsch, oder Obsthainen, in unzählbarer Menge hervor. Von Strecke zu Strecke trifft man an den Kanälen Ziegelbrennereien, große Anlagen mit oft ¼ Stunde langen, reinlichen Gebäuden, und Kayen, an denen Schiffe löschen und laden, oder man sieht zwischen Muschelbergen, (die von dem nahen Strande herbeigeführt werden) unförmliche Kalköfen, deren Rauchfänge hohen Thürmen gleichen, und deren Daseyn schon in halbstündiger Entfernung ein erstickender Schwefelgeruch und dicke, schwere, schwarze Rauchwolken verkünden. – Die Dörfer sind meistens groß, alle reinlich und zierlich gebaut, städtischen Ansehens und tragen der Wohlhabenheit Stempel. Da wo wichtige Schleußenwerke erbaut sind, oder Hauptkanäle sich kreuzen, sieht man zuweilen mächtige Schanzen emporsteigen, – gemeinlich ein viereckiger Wall, durch welchen eine wohlverwahrte Zugbrücke über volle Wassergräben in einen Raum führt, der nichts als einige Kasernen hat, die Herberge für einen Kriegerhaufen, und ein bombenfestes Magazin zum Bewahren von Mund- und Kriegsbedarf. Schauerlich gucken aus den Schießscharten der hohlen Wälle die ehernen Rachen der Kanonen und unheimlich thürmen sich die schwarzen Kugelpyramiden auf den spärlich begrasten Höfen. Diese Vesten bilden einen düstern Contrast mit der lachenden Landschaft, denn diese hat den unverkennbaren Ausdruck aller Segnungen langen Friedens. – Die Landstädtchen dieser Gegend Holland’s (und fast alle paar Meilen führt der Weg durch ein solches!) verrathen die äußerste Behaglichkeit und sind so ziemlich gerade das Gegentheil von dem, was man sich unter einem Landstädtchen in Deutschland gemeiniglich vorstellt. Ihre breiten Straßen sind mit genau in einander gekütteten, glatten Backsteinen gepflastert und scheinen mehr gemeinsame Hausehren zu seyn, als eigentliche Straßen, so reinlich sind sie. Man tritt auch aus den Häusern ohne Treppen oder Stufen auf dieselben. Schmucke Becker- und Metzgerläden,