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Haupttheil des Doms ist neugriechischen Styls; er ist aus röthlichem, festen Sandstein aufgeführt und bildet ein längliches, von Abend nach Morgen laufendes, an beiden Enden zugerundetes Viereck. Sein Inneres theilt sich durch 2 Reihen schlanker, gekuppelter Säulen in 3 Schiffe, mit Chören an beiden Enden. Die Länge beträgt 342 Fuß, die Weite des mittlern Schiffes zwischen den Säulen 36 Fuß, die der Seitenschiffe 13 Fuß. Die Decken sind Kreuzgewölbe aus leichtem Tuffstein, deren Rippen sich in verzierten Schlußsteinen vereinigen. Das Morgenchor, unter dem eine Krypta (unterirdische Kapelle) liegt, hat oberhalb, nach außen eine Gallerie, und über derselben schlanke, hohe Bogenfenster mit freistehenden Spitzen, an den Seiten aber zwei Glockenthürme, (auf dem Bilde die links hervorragenden,) welche unten rund, dann sechseckig sind, und sich mit einer zierlich-durchbrochenen Spitze endigen. Sowohl die Kuppel dieses Chors als die Spitzen der Thürme sind abgebrannt, und erstere auf eine geschmacklose, den Bau verunstaltende Weise vor Kurzem durch ein plumpes, kappenförmiges Dach ersetzt worden. – Das Abendchor ist gleichfalls neugriechischen Styls. Ueber demselben steigt eine Kuppel empor, die nach dem Brande, 1765, von dem Architekten Naumann mit einem reich verzierten, dem ursprünglichen Styl sich leidlich anpassenden achteckigen Thurm in 3 Absätzen überbaut worden ist. Zu beiden Seiten des Abendchors, über später angebauten Capellen, sieht man 2 Glockenthürme, welche den abgebrannten des Morgenchors entsprechen. – Die Zeit der Vollendung dieses Prachtbaues ist das Jahr 1009. Durch Feuersbrünste litten seine verzehrbaren Theile schon sehr frühe, in den Jahren 1081, 1137 und 1190; doch geschah die Herstellung immer wieder nach dem ersten Plane. – Im ersten Viertel des 13ten Jahrhunderts begann die Verunstaltung dieses herrlichen Gotteshauses durch den Anbau zweier Seitenschiffe, zu welchem Zweck die Seitenmauern des alten Doms durchbrochen und die merkwürdigen Sculpturen an denselben entfernt wurden. Jene beiden Anbauten sind im deutschen Styl ausgeführt, und ihre reich-verzierten Spitzbogenfenster gelten als die schönsten Muster ihrer Gattung. Im vierzehnten Jahrhundert kamen neue Anbauten hinzu und die Harmonie der Verhältnisse wurde vollends durch den Anbau der an sich schönen Kapelle Allerheiligen (das in der Mitte des Bildes mit dem hellbeleuchteten Giebel vorschauende Gebäude) zerstört. – Eine freie Ansicht des Doms hat man von keiner Seite; die ihn umgebenden Kapitel- und andern Gebäude schließen ihn fast ganz ein und lassen eine nur sparsame Erhellung desselben zu. Er theilt in dieser Beziehung das Schicksal der meisten alten Cathedralen Deutschland’s, die fast alle der freien Ansicht entzogen sind. – Der Flächeninhalt des ganzen Gotteshauses mißt über 45,000 Quadratfuß, und mit Ausnahme des Straßburger Münsters und der Dome in Speyer und Cöln ist es folglich die größte Kirche in Deutschland. Ihre Construktion gehört zu der sichersten, und bei guter Erhaltung kann dies herrliche Denkmal alt-deutscher Kunst und religiöser Begeisterung unversehrt noch auf Jahrtausende übergehen.